Ein Bürgermeister hebt ab

Heute beginnt vor dem Oberverwaltungsgericht in Leipzig die öffentliche Anhörung zum Großflughafen Schönefeld. Gegen das Milliardenprojekt klagen tausende Anwohner und umliegende Gemeinden. Begeistert hingegen ist Schönefelds Bürgermeister Joachim Wolf. Er glaubt, der Airport wird einen Boom auslösen. Das Feuerwerk ist schon mal bestellt. Ein Porträt

„Wenn Leipzig Ja sagt, geht es hier richtig los. Ein Investor steht schon bereit“„Wir werden eine eher reiche Gemeinde sein. das sollen die Bürger spüren“

von RICHARD ROTHER

Manchmal lässt sich an einem Rathaus erkennen, wie es um eine Kommune bestellt ist. Auf den Verwaltungssitz der Gemeinde Schönefeld, auf deren Gebiet der künftige Hauptstadtflughafen Berlin-Brandenburg International (BBI) gebaut werden soll, trifft dies sicher zu: Der funktionale, fünfstöckige Neubau mit großem Eingangs- und Pförtnerbereich kündet von einem neuen Selbstbewusstsein, das aufstrebenden Gemeinden im Berliner Speckgürtel eigen ist. Aber es zeigt auch, wie unfertig das alles an einem Ort, der den Flughafenausbau vehement begrüßt, noch ist: Das Rathaus, ein paar Kilometer nordwestlich des heutigen Flughafeneingangs gelegen, steht ziemlich einsam auf einer grünen Wiese. Vis à vis steht immerhin schon die neue, schicke Grundschule. Der Rest des künftigen Ortszentrums muss aber noch werden.

Dass dies nur eine Frage der Zeit ist, davon ist Joachim Wolf überzeugt. Der ehrenamtliche Bürgermeister des Ortsteils Schönefeld der Gemeinde Schönefeld, zu der noch Großziethen und mehrere kleinere Dörfchen rund um den Flughafen gehören, beugt sich in seinem schlichten Büro über einen Plan der Gemeinde.

Ein große helle Fläche ist darauf zu sehen, die Wolf bebauen will: mit mehrstöckigen Wohnhäusern und Gewerbe, Gewerbe, Gewerbe. „Wenn Leipzig Ja sagt, geht es hier richtig los“, ist der 67-Jährige überzeugt, der zu DDR-Zeiten Ingenieur im Adlershofer Werk für Fernsehelektronik war. Ein Investor, der 400 Wohnungen bauen wolle, stehe schon bereit. Der warte aber noch die letztinstanzliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig ab.

Probleme mit dem Großflughafen, gegen den andere anliegende Gemeinden klagen, hat Wolf nicht. Wenn der Wind schlecht stehe, höre man schon die Flugzeuge und rieche Kerosin, so Wolf. „Aber wir leben hier mit dem Flughafen, seit wir denken können.“ Die russischen Maschinen seien zu DDR-Zeiten ohnehin viel lauter gewesen – und Tag und Nacht geflogen. Wolfs Gelassenheit hat aber wohl vor allem eine geografische Ursache: Die beiden größten Ortsteile der Gemeinde, Großziethen und Schönefeld, liegen nicht in der Einflugschneise des geplanten Großflughafens.

Eine grüne Idylle am südöstlichen Berliner Stadtrand ist Schönefeld nicht. Zwei Bundesstraßen, eine Autobahn und ein Bahndamm durchschneiden das zersiedelte Gemeindegebiet, vom Flughafen, seinen Terminals und Parkplätzen, einmal abgesehen. „Eine Gemeinde an einem Flughafen kann kein Erholungsgebiet sein“, ist sich Wolf sicher. Er weiß, wovon er redet; die umliegenden Gemeinden der Flughäfen München und Frankfurt hat er sich intensiv angeschaut.

Seine Vision von Schönefeld: eine Stadt mit einem ausgeprägten Gewerbeschwerpunkt am Rande der Bundeshauptstadt. 25.000 bis 30.000 Einwohner könne Schönefeld in zehn Jahren haben, hofft Wolf. Heute sind es rund 12.000. Ganz ohne Natur sollen die Schönefelder aber auch nicht leben: An der Grenze zu Berlin ist ein dreihundert Meter breiter Grüngürtel geplant. Besser als nichts, auch wenn er wohl wird, was seine Namensvettern im benachbarten Rudow sind: ein überdimensioniertes Hundeklo. Wem das nicht reicht, der muss halt mit dem Fahrrad oder Auto gen Süden touren, um jenseits des Berliner Autobahnringes in die Brandenburger Natur einzutauchen.

Der Flughafen jedenfalls werde ein Jobmotor für die Region sein, ist Wolf überzeugt. Eine Million Fluggäste jährlich würden rund 1.000 Arbeitsplätze bringen, einen erklecklichen Teil davon in Schönefeld, malt Wolf eine rosige Zukunft. Wolf will Hotels ansiedeln, Reise- und Logistikunternehmen, sogar produzierende Hightech-Firmen. Sein Wunsch: So viele Firmen sollen sich für den Standort Schönefeld interessieren, dass sich die Gemeinde die besten herauspicken kann. „Wenn uns einer zu laut oder dreckig ist, nehmen wir ihn dann eben nicht.“

Der erhoffte Aufschwung soll aber kein Selbstzweck werden, sondern den Einwohnern der Gemeinde nützen, sagt Wolf. 1990 hat er den SPD-Ortsverein gegründet, jetzt ist er Mitglied ein freien Wählergemeinschaft und bis 2008 ins Amt gewählt. Die künftigen Steuereinnahmen will Wolf auch in den Ausbau von Kindergärten und Schulen, Jugendklubs und Sportanlagen stecken. Langfristig erhofft er sich ein Gymnasium und vielleicht eine Schwimmhalle. Wolf: „Wir werden eine eher reiche Gemeinde sein, das sollen die Bürger spüren.“

Heute beginnt die heiße Phase der juristischen Auseinandersetzung, die die Zukunft der Gemeinde Schönefeld wesentlich prägen wird. Die Einwände der betroffenen Bürger, die etwa in der Einflugschneise wohnen, kann Wolf verstehen. Dass das Projekt vor Gericht scheitert, glaubt er aber nicht. „Wir sind optimistisch.“ Und fügt lachend hinzu: „Der Gemeindebürgermeister hat das Feuerwerk schon bestellt.“

Selbst wenn es nichts wird mit Party und Feuerwerk, sieht Wolf nicht schwarz für die Zukunft seiner Gemeinde. „Dann bleibt alles, wie es ist.“ Der Flughafen Schönefeld werde sich dann neben dem Flughafen Tegel entwickeln. Für die Gemeinde stehe so oder so fest: „Wir wachsen weiter.“ Allerdings etwas langsamer – zum Beispiel wäre die Autobahn erst 2001 und nicht schon 2007 fertig.

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