Verdiss dich

Wir sollten die Typen absolut zum Schweigen bringen, die uns keinerlei Respekt entgegenbringen. Denn Respekt vor den anderen ist schließlich der Schlüssel zu jeder gerechten Gesellschaft. Wir sollten also zensieren, was das Zeug hält. Von der Bibel angefangen bis zu aktuellen Zeitungskarikaturen

Man sollte sich nicht auf das Religiöse beschränken – wenn jemand verärgert ist, sollte sofort der Zensor einschreiten

VON MARCIA PALLY

Die Beschäftigung mit dem ganzen Karikaturen-Trara hat mich davon überzeugt, dass die dänischen Imame und die Dänische Volkspartei (DFP) beide Recht haben. Wir sollten die Typen zum Schweigen bringen, die uns keinen Respekt entgegenbringen. Die demokratischen Gutmenschen und lilienweißen Liberalen haben keine Ahnung. Respekt vor den anderen ist der Schlüssel zu jeder gerechten Gesellschaft – Respekt vor ihren Ideen, Traditionen und Werten. Karikaturen zu zensieren, die sich über den Islam lustig machen, ist der Anfang dieses Respekts (der Vorschlag der Imame). Die Muslime verräterisch zu nennen, die sich über die dänische Tradition lustig machen, ist ebenfalls der Beginn einer besseren Welt (die Antwort der DFP). So läuft’s! Die Ungerechten zum Schweigen zu bringen ist der einzig wahre Weg zur Gerechtigkeit.

Muslimische Länder boykottieren dänische Waren (die Verluste liegen bisher bei 45 Millionen Euro). Die dänischen Botschaften in Beirut und Damaskus sind angezündet worden. In Gaza wird die dänische Fahne verbrannt. Bei den Büros der Zeitung Jyllands-Posten sind Bombendrohungen eingegangen. Im Irak hat eine Terroristengruppe eine Fatwa gegen die dänischen Truppen ausgesprochen. Bringt die Dänen zum Schweigen! Und bringt die Muslime zum Schweigen, sagt die DFP, indem man sie rauswirft. Die Idee, dass es das Recht auf freie Meinungsäußerung sein könnte, das es sowohl Muslimen auch DFP erlauben könnte, ihren Kram öffentlich von sich zu geben, ist überholter Unsinn.

Allerdings befürchte ich, dass die DFP und die Muslime nicht weit genug gegangen sind. Es ist doch wohl offensichtlich, dass auch jede Satire auf das Christentum verboten werden und aus Textbüchern, demokratischen Abhandlungen und unflätigen Liedern aus dem 17. Jahrhundert gestrichen werden muss. Außerdem sollten wir im Nachhinein den Handel mit jedem Land boykottieren, von dessen Boden je eine antiklerikale Satire ausgegangen ist. Auch sollten sämtliche israelische Satiren über die rechtsradikalen Hassideen verbrannt werden, zusammen mit dem Material über die Siedler im Westjordanland. Im Grunde wäre es auch falsch, bei der Religion aufzuhören. Jegliches politisches Material, das wir ärgerlich finden, sollte ebenfalls verboten werden. Denn Ärger ist der Anfang der Respektlosigkeit – wenn irgendjemand verärgert ist, sollte also sofort der Zensor einschreiten.

Diese Lektion sollten wir unseren Kindern beibringen. Denn man schaue sich doch bloß die Ungerechtigkeiten der heutigen Welt an! Wir bringen Kindern die Erklärung der Menschenrechte bei und wundern uns, dass sie sich frei ausdrücken wollen und andere mit ihren Ideen verärgern. Wir lehren sie Voltaire und wundern uns, dass sie Satiren schreiben wollen.

Sowohl die Imame als auch die DFP erzählen uns, die Moral sei zur Hölle gegangen, seit jeder sagen darf, was er will. Kein Wunder. Wir veröffentlichen „Madame Bovary“ und fragen uns, warum die Scheidungsrate steigt. Wir unterrichten „Lady Chatterly’s Lover“ in der Schule und wundern uns, warum die jungen Leute Sex haben. Wir unterrichten „Ödipus“ und „Hamlet“ und wundern uns, warum Kinder ihre Eltern nicht mehr achten. Wir veröffentlichen „Peter Pan“ und „Die Blechtrommel“ und wundern uns, warum die Kinder nicht erwachsen werden wollen und stattdessen stundenlang vor ihrer Playstation hängen. Wir unterrichten die Bibel und erzählen den Kindern, wie Jakob seinen Vater betrügt, wie Josefs Brüder ihn in die Sklaverei verkaufen, wie Tamar ihren Onkel verführt und erpresst, und wundern uns, warum Familien nicht mehr zusammenbleiben. Samuel erzählt uns von David und Jonathan, und wir wundern uns, warum Kids „so werden“. Das muss aufhören, im Namen von Moral und Gerechtigkeit. Und des Erfolgs. Die Moschee von Abu Laban, dem Anführer des Antikarikaturen-Protests, wird von neuen Mitgliedern überschwemmt. „Wir müssen gar nicht bekehren, die jungen Leute klopfen von ganz allein an unsere Tür“, sagte Abu Laban. Und auch die DFP hat seit Jahren nicht mehr den Zulauf gehabt, den sie jetzt erlebt.

Und jetzt soll bloß niemand behaupten, die Imame und die DFP hätten unterschiedliche Vorstellungen darüber, wer die Bösen sind und wer zum Schweigen zu bringen ist. Wer soll denn entscheiden, was ärgerlich ist, fragen Sie?

Obwohl sich sowohl Abu Ladan als auch die DFP-Vorsitzende Pia Kjærsgaard gemeldet haben, werde ich das übernehmen. Ich werde den Weg weisen. Vertrauen Sie mir.

Übersetzung: Tobias Rapp