Space Age Pop wie aus dem Hobbykeller

Er kam im goldenen Anzug auf die Bühne und orgelte das Publikum ins Glück: Jean-Jacques Perrey spielte beim Club Transmediale Festival

„Es ist so großartig, hier zu sein, Berlin ist so eine wunderbare Stadt.“ Mit diesen Worten wird man von Jean-Jacques Perrey begrüßt, der zwar noch nie in Berlin gewesen ist und direkt vom Flughafen zum Ort des Interviews kutschiert wurde. Er konnte noch nicht allzu viel von der Stadt gesehen haben. Doch Perrey ist eben nicht nur ein höflicher Mensch, sondern er weiß einfach, dass Berlin ganz wunderbar ist, schon weil die Stadt so sein muss. Sein ganzes Leben und seine Wiederentdeckung als einer der Urväter gegenwärtiger elektronischer Musik kommt ihm wunderbar vor.

Er raucht eine Zigarette nach der anderen, schüttet die ihm gereichten Cola-Lights in sich wie ein Lebenselixier und wirkt beseelt von der Wertschätzung, die junge Menschen ihm entgegenbringen. Auch später, bei seinem Konzert im Rahmen des Club Transmediale Festivals in Berlin, wirkt er wie benommen, will er die Bühne gar nicht mehr verlassen. Er bedankt sich immer wieder, selbst bei „Rudiger“ von der Technik, bei allen, die ihm diesen Auftritt ermöglicht hatten. Er ist glücklich, das sieht man.

Perrey, der 1929 geboren wurde, galt lange Zeit als vergessener Pionier der elektronischen Musik. Das änderte sich, als Hip Hop-Acts wie Gang Starr und Ice-T in den Neunzigern die seltsamen Moog-Sounds seines Stücks „E.V.A.“ von 1970 sampelten. Gleichzeitig wurde die „strange music“ aus den Sechzigern wiederentdeckt, die Band Stereolab widmete mit „Jenny Ondioline“ gar der Ondioline, einem Vorläufer des Synthesizers, den Perrey popularisiert hatte, ein Stück. In Frankreich wiesen Air daraufhin, dass Perrey ihr großes Idol sei. All dies muss Perrey dazu bewogen haben, tatsächlich noch einmal zusammen mit dem Produzenten Dana Countryman ins Studio zu gehen und eine neue Platte aufzunehmen, die im Frühjahr erscheinen soll. Ein paar der neuen Stücke waren bereits auf seinem Berlinkonzert zu hören. Großartig anders als die fröhlich-spaßigen Moog- und Ondioline-Fantasmen von früher klangen diese nicht, das hatte wohl auch niemand erwartet.

Es war ein rührendes Szenario, wie Perrey im viel zu großen Goldanzug vor eine Menge trat, die den Anspruch Perreys, Menschen mit seiner Musik glücklich zu machen, geradezu verinnerlicht zu haben schien. Es herrschte geradezu Spaßzwang und bereits vor dem Auftritt wurden seltsame Polonaise-artige Gruppentänze aufgeführt. Perrey hielt sein Maskottchen in die Höhe, einen zerknautschen gelben Stoffelefanten, und legte gemeinsam mit Dana Countryman los. Oder besser gesagt: ließ loslegen. Denn schon bald stellte sich heraus, dass die Ondioline auch fröhlich zwitscherte, wenn Perrey mal wieder den Einsatz verpasst hatte: die hochkomplexe Spaßmusik von Perrey, na ja, sie kam größtenteils vom Band. Doch auch das war für den lustigen alten Herrn wahrscheinlich ein Gebot der Höflichkeit. Er hätte seinem Publikum, dem er so unendlich dankbar ist, niemals einen Verspieler zumuten können. ANDREAS HARTMANN