Unklar, unsystematisch, konfliktträchtig

Vernichtendes Urteil der Umweltweisen: Die von CDU und SPD geplante Föderalismusreform fällt weit hinter den Status quo zurück. Die Republik wird bürokratischer, weil zum Beispiel beim Hochwasserschutz jedes Bundesland machen kann, was es will

AUS BERLIN NICK REIMER

Gutachten der Umweltweisen: Vor dem Umweltausschuss des Bundestags sprach gestern der Chef des Sachverständigenrats für Umweltfragen, Hans-Joachim Koch. Er erklärte, was die Pläne zur Föderalismusreform für die Umwelt bedeuten. Um es vorweg zu nehmen: nichts Gutes.

„Ziel der Föderalismusreform ist doch: Deutschland zu entbürokratisieren, Kompetenzen zwischen Bund und Ländern zu entflechten, fit für die internationale Gesetzgebung zu machen“, so Koch. Tatsächlich aber sieht der Gesetzentwurf nun gleich fünf Wege zu neuen Umweltgesetzen vor.

Erstens: Hoheit hat der Bund, die Länder müssen das eins zu eins umsetzen – trifft beispielsweise für das Atomrecht zu. Zweitens: „konkurrierende Gesetzgebung“ – der Bund hat das Sagen. Nur dort, wo er nichts sagt, darf das Land tätig werden.

Der dritte Weg: Abweichungsmöglichkeiten. Der Bund macht ein Grundsatz-Gesetz, jedes einzelne der 16 Bundesländer ist für die Umsetzung zuständig. Darunter fallen beispielsweise Abfallrecht oder Luftreinhaltung. Koch: „Konkret heißt das: Der Bund darf ein bisschen Lyrik im Vorspann bestimmen. Geht’s zur Sache, hat jedes einzelne Land das Sagen.“ Galt bislang, Bundesrecht bricht Landesrecht, so bedeute diese „sehr neue Form im deutschen Recht“, dass dem Landesrecht die Bundesvorgabe schnurz sein kann.

Ein Beispiel: Die EU möchte wissen, wie die Gewässergüte in Deutschland ist. Bayern hat ein Verfahren zur Gütebestimmung des Mains erarbeitet. Hessen ein anderes. „Nach quälend langen Verhandlungen einigt sich eine bayrisch-hessische Kommission auf ein eigentlich gemeinsames Verfahren. Allerdings wollen die Bayern nicht die – in ihren Augen – Fehler der Hessen machen. Und umgekehrt“, so Koch. Deutschland müsse also der EU mitteilen: „Nach bayrischer Auffassung ist die Qualität soundso, nach hessischer aber anders.“ Koch empfahl, einen solchen Fall mal für die Elbe oder den Rhein durchzudeklinieren.

Vierter Gesetzgebungsweg – „und jetzt wird es wirklich konfus“, so Koch. Es handelt sich um so genannte Erforderlichkeitsklauseln. Koch: „Im Prinzip bedeutet das, dass der Bund so lange nichts unternimmt, bis die Gesellschaft aus den Fugen gerät.“ Naturschutz und Wassergesetzgebung gehören in diese Kategorie, die Länder sollen hier kompetent sein. Beispiel Hochwasserschutz: „Jedes Land bestimmt selbst, was notwendig und zweckmäßig ist.“ Dummerweise kommt aber etwa sächsische Hochwasser-Vorsorge hauptsächlich den folgenden Ländern zu Gute. Warum sollte Sachsen also etwas machen.

Der fünfte Weg zu neuen Gesetzen schließlich: Ländersache. Zum Beispiel bei der Raumordnung soll jedes Bundesland sich selbst ein Gesetz geben.

Fazit der Sachverständigen: Die Regierungsvorschläge sind „unsystematisch, schwer handhabbar und hochgradig konfliktanfällig“. Statt die Ziele zu erreichen, falle diese Reform weit hinter den Status quo zurück.

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