kuckensema
: „Fremde Haut“ mit Jasmin Tabatabai

Die schlimmsten Karikaturen des Islams zeichnen vielleicht gar nicht einige Ungläubige im Westen, sondern die fundamentalistischen Sittenwächter selber, wenn sie in Afghanistan jahrhundertealte Buddhastatuen in die Luft sprengten oder im Iran immer noch die gleichgeschlechtliche Liebe mit der Todesstrafe ahnden. Vor dieser alttestamentarischen Rechtsprechung flieht in dem Spielfilm „Fremde Haut“ die Übersetzerin Fariba Tabrizi aus ihrem Heimatland nach Deutschland, nachdem ihre Liebesbeziehung zu einer Frau öffentlich bekannt wurde.

Doch die erste bittere Pointe dieses deutschen Sozialdramas besteht darin, dass in unserem Land die aufgrund ihrer sexuellen Präferenzen verfolgten IranerInnen nicht als politische Asylanten anerkannt werden. Und so wandert die verzweifelte Frau direkt aus dem Flugzeug in Abschiebehaft auf dem Gelände des Frankfurter Flughafens. Als einer der dort einsitzenden Iraner Selbstmord begeht, kurz bevor er seine Papiere als anerkannter Asylant bekommt, nimmt die junge Frau dessen Identität ein und wird in Männerhosen und mit kurz geschnittenen Haaren in die bundesdeutsche Normalität entlassen. Die Regisseurin Angelina Maccarone bemüht sich erst gar nicht, diese abenteuerliche Geschichte auch nur halbwegs plausibel zu erzählen. So löst sich etwa die Leiche des Mannes, dessen Identität sie einnimmt, einfach in Luft auf. Sie wird nie gefunden, obwohl sie im vollgesetzten Lager schon nach wenigen Minuten entdeckt worden wäre. Dieses riesige Loch in der Erzähllogik irritiert eine Zeitlang, und so recht mag man auch nicht glauben, dass die so eindeutig weibliche Jasmin Tabatabai nur durch ein paar abgeschnittene Locken, angemalte Bartstoppeln und permanent mürrische Laune als Mann durchgehen könnte. Zumindest ihre Stimme bleibt doch eindeutig die einer Frau. Aber der Film ignoriert dies mit solch einer naiven Vehemenz, dass man sich nach ein paar Minuten davon eher gerührt als gestört fühlt, kein Spielverderber sein will und sich dann doch auf die Geschichte einlässt.

In der vermeintlichen Freiheit Deutschlands zieht unsere Heldin in ein Asylantenheim, in dem sie sich ein sehr kleines Zimmer mit einem Weißrussen teilen muss, der sich ständig voller Heimweh Videos aus seiner Heimatdorf ansieht. Fariba schummelt sich auch bei ihm als Mann durch, indem sie kaum etwas sagt und nie zusammen mit den anderen duscht. Weil sie so missmutig, isoliert und scheinbar sittenstreng vor sich hin lebt, hat ausgerechnet sie bald den Spitznamen Ayatollah weg. Doch nachdem sie illegal Arbeit in einer Sauerkrautfabrik gefunden hat, trifft sie dort die Arbeiterin Anne, und zwischen den beiden entspinnt sich eine zögerliche, bald überraschend anrührende Liebesgeschichte.

Dabei verliebt sich die von Anneke Kim Sarnau gespielte junge Deutsche natürlich in Fariba als Mann, dessen Fremdheit und Scheu sie anziehend findet. Faribas Situation wird immer komplizierter und aussichtsloser, und weil sie schnell viel Geld für einen gefälschten Pass auftreiben muss, plant sie zusammen mit Anne einen spektakulären Diebstahl. Diesen inszeniert die Regisseurin plötzlich im Stil einer Krimikomödie, und dieser Stilwechsel tut dem Film nicht gut. Auch eine Szene, bei der Fariba mit deutschen Arbeitskollegen zu einem Herrenabend in ein Bordell geht, wirkt seltsam unentschieden. Beide Sequenzen sind offensichtlich mit dem Blick auf ein lesbisches Zielpublikum inszeniert worden, das sich für zwei Rebellinnen begeistern und über die Männer im Puff die Nasen rümpfen kann. Doch diese Genreszenen wirken wie Fremdkörper in einem Film, der ansonsten so einfühlsam und subtil den Kampf einer Frau um ihre Identität beschreibt. Wilfried Hippen