Bezirke sollen Job-Center übernehmen

SPD-Arbeitsmarktexpertin Grosse fordert mehr Verantwortung der Bezirke für die Hartz-IV-Ämter. Die Linkspartei kann sich mit dem Vorschlag anfreunden. Sie sieht Chancen, das Geld der Arbeitsbehörden sinnvoller als bislang zu verteilen

Die Zuständigkeiten für die Berliner Almosenämter – offiziell heißen die Hartz-IV-Behörden Job-Center – sollen neu geregelt werden. Das fordert zumindest die Arbeitsmarktexpertin der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Burgunde Grosse. Sie will, dass die Bezirke die Mehrheit in den Trägerversammlungen der Job-Center erhalten. Bedingung dafür sei aber, dass es zu einer berlinweiten Regelung zwischen dem Senat und den Bezirken über grundsätzliche Politik der Hartz-Ämter kommt. Bislang sind die Trägerversammlungen der zwölf Berliner Hartz-Ämter, die die Leitlinien der Arbeit bestimmen, paritätisch mit Vertretern der Bezirke und der Arbeitsagenturen besetzt. Das führte in der Vergangenheit oft zu einer Pattsituation in den Entscheidungsgremien.

Was wie ein Streit um bürokratische Details anmutet, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Auseinandersetzung ums Ganze. Letztlich geht es um die Frage, wer für die Betreuung der über 232.000 Berliner Arbeitslosengeld-II-Empfänger zuständig ist: die Bezirke oder die Arbeitsagenturen – oder gar der Senat oder die Regionaldirektion der Arbeitsagentur. Denn wer die Mehrheit im entscheidenden Gremium hat, hat auch das Sagen – und wird entsprechend verantwortlich gemacht für Probleme.

Kein Wunder, dass sich niemand um diese Aufgabe reißt. Die Arbeitsagentur hat dem Senat bereits angeboten, dass die Vertreter der Bezirke eine Mehrheit bekommen sollen. Doch die Bezirke zögern, weil sie offenbar fürchten, dass sie nur eine unzureichende Mängelverwaltung machen können, sollten die Bundesmittel für Arbeitsmarktpolitik gekürzt werden.

Zum 1. März erhalten die Job-Center erweiterte Kompetenzen. Sie können dann Personalfragen selbst entscheiden. Zudem erhalten sie eine eigene Finanzverantwortung. Die Mittel, die ihnen zur Verfügung stehen, können sie dann eigenverantwortlich ausgeben.

Grosse fordert nun, dass sich der Senat mit den Bezirken bis zu den Sommerferien einigt, wie die Übernahme der Verantwortung geregelt werden kann. Berlin müsse seine Steuerungsmöglichkeiten in der Arbeitsmarktpolitik nutzen. Dass einige Bezirke mitmachen, andere hingegen nicht, sei jedoch nicht denkbar. „Alle oder keiner“, so Grosse. Die arbeitsmarktpolitischen Leitlinien müssten in ganz Berlin gleichermaßen gelten.

Das sieht auch die Arbeitsmarktexpertin der Linkspartei.PDS, Carola Bluhm, so. Berlin könne das Angebot, dass die Bezirke die Mehrheit in den Job-Center-Gremien kriegen, nicht ausschlagen. „Schließlich gibt es auch eine Menge Geld zu verteilen.“ Rund 625 Millionen Euro stünden allein in diesem Jahr zur Verfügung. Das Geld könne wesentlich sinnvoller als bislang eingesetzt werden, so Bluhm. Die vielen 1-Euro-Jobs seien jedenfalls nicht der Weisheit letzter Schluss. Überlegenswert sei beispielsweise, ob man mit Lohnkostenzuschüssen sowohl Arbeitslosen als auch kleinen Unternehmen helfen könne.

Im vergangenen Jahr allerdings hat die Verteilung von Geld in den Job-Centern kaum geklappt. Nur die Hälfte der für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen vorgesehenen Mittel wurden eingesetzt. SPD-Expertin Grosse: „Dafür habe ich wenig Verständnis.“ Auch mit den Anfangsschwierigkeiten bei der Hartz-IV-Umsetzung ließe sich dies nicht erklären. Das Geld hätte etwa für Weiterbildungen ausgegeben werden können.

Auf Bundesebene müsse Hartz IV nachgesteuert werden, sagt Grosse. Dass die Anträge auf Arbeitslosengeld II alle drei bis neun Monate neu gestellt werden müssten, verursache nur einen hohen Verwaltungsaufwand – und führe zu langen Schlangen in den Ämtern. RICHARD ROTHER