Ganz große Koalition der Selbstvergewisserung

Bundestag verteidigt Pressefreiheit und verurteilt Gewalt im Karikaturenstreit. Nur die Linkspartei nennt als Ursachen die Politik der USA

BERLIN taz ■ In einem Punkt waren sich gestern alle Redner einig in der aktuellen Stunde des Bundestags zum Karikaturenstreit: Auch nach den gewaltsamen Protesten in vielen islamischen Ländern gegen die dänischen Mohammed-Karikaturen muss ein „Dialog der Kulturen“ angestrebt werden. Regierungs- und Oppositionspolitiker erklärten gleichermaßen, dass man „keinen Kampf der Kulturen herbeireden“ sollte.

So stellte der CDU-Abgeordnete Karl Theodor Freiherr zu Guttenberg fest: „Es scheint die große Stunde Huntingtons zu sein, das ist sie selbstverständlich nicht.“ Der außenpolitische Sprecher der Grünen, Jürgen Trittin, sagte: „Dem Aufruf zur Gelassenheit können wir uns alle anschließen.“ Fast alle.

Zwischen Union, SPD, Grünen und FDP gab es wenig Unterschiede. Sie bekundeten Verständnis für die verletzten Gefühle gläubiger Muslime, betonten allerdings auch den hohen Wert der Pressefreiheit, die es zu schützen gelte. Ausdrücklich gewürdigt wurde die Reaktion der muslimischen Verbände in Deutschland, die zur Gewaltlosigkeit aufgerufen hatten. Auch der gemeinsame Artikel der Chefredakteure von Bild und Hürriyet („Wir sind Freunde!“) fand mehrfach lobende Erwähnung. Scharf verurteilt wurde dagegen die Art und Weise, wie islamistische Fundamentalisten und einige Regimes im Nahen Osten den Protest gegen die Karikaturen für ihre Zwecke instrumentalisierten. Tiefer gehende Ursachenforschung oder gar (Selbst-)Kritik an westlicher Politik war kaum zu hören. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt schloss mit den Worten: „Wir sagen den Muslimen in der Welt: Sie selbst sorgen für das Ansehen ihrer Religionsgemeinschaft.“

Aus dem Rahmen der allgemeinen Selbstvergewisserung fiel lediglich Norman Paech von der Linksfraktion. „Der Hass muss vorher da sein, bevor er zu einem Instrument der Gewalt gemacht werden kann“, befand Paech und erinnerte an die Kriege gegen Afghanistan und den Irak. Auch die US-Drohungen gegen den Iran hätten dazu geführt, dass sich die islamische Welt bedroht fühle. Guantánamo und Abu Ghraib seien Symbole für den „Angriff auf die kulturelle Identität der Muslime“. Als deeskalierende Maßnahmen forderte Paech den „Abzug aller Besatzungstruppen aus dem Irak“ und Nichtangriffsgarantien für den Iran. LUKAS WALLRAFF