Strafbare Arbeitsmarktpolitik

Betreiber der Hamburger Personal-Service-Agenturen steht bald wegen Verdacht auf Insolvenzbetrug vor Gericht

Einst galt Johannes Berends als Pionier. Sein niederländisches Unternehmen Maatwerk betrieb in mehreren europäischen Ländern Arbeitsvermittlungsprojekte. Auch in Hamburg unterhielt er seit 2003 „Personal-Service-Agenturen“ nach dem Konzept von Peter Hartz. Aus der Erfolgsgeschichte aber wurde eine Pleitestory mit juristischen Folgen.

Berends muss sich demnächst vor einem Hamburger Gericht verantworten: Die Staatsanwaltschaft hat ihn angeklagt, Sozialversicherungsbeiträge für Beschäftigte nicht abgeführt, trotz Zahlungsunfähigkeit im Januar 2004 keine Insolvenz angemeldet und erforderliche Bilanzierung unterlassen zu haben. Der Verhandlungstermin steht aber noch nicht fest.

Berends Firma hat in der ganzen Bundesrepublik privat betriebene PSA unterhalten, die an die Arbeitsagenturen angegliedert sind. Sie stellen Arbeitslose selbst an und vermitteln sie als Leiharbeiter zu günstigen Konditionen an Betriebe weiter. Wirklich erfolgreich waren sie nie. Im Gegenteil: Der vom Bundestag in Auftrag gegebene Auswertungsbericht zu den Hartz-Arbeitsmarktreformen kam zu dem Ergebnis, dass die PSA die Chancen für Erwerbslose auf dem Arbeitsmarkt sogar verschlechtern: „Der Einsatz in einer PSA verlängert im Vergleich zu einer Kontrollgruppe die durchschnittliche Arbeitslosigkeit um einen Monat“, heißt es in dem kürzlich veröffentlichten Bericht. „Gleichzeitig liegen die monatlichen Kosten weit über den ansonsten entstandenen Transferleistungen“. Ein PSA-Beschäftigter führe zu durchschnittlichen Mehrkosten von 5.700 Euro.

Auch in Hamburg wurden die PSA zum reinen Zuschussgeschäft. Einnahmen aus dem Verleihgeschäft blieben aus, der Schuldenberg der deutschen Tochterfirma von Maatwerk wuchs kontinuierlich. Von September bis November 2003, sagt Oberstaatsanwalt Rüdiger Bagger, hat Berends für viele seiner Beschäftigten keine Sozialversicherungsbeiträge mehr abgeführt – allein im November blieb er 250.000 Euro schuldig. Im Januar 2004 dann galt er als zahlungsunfähig. Insolvenz meldete Berends aber erst im Februar an. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen wegen Insolvenzbetruges auf und erhob Anklage.

Auch politisch hat die vernichtende Bilanz der Arbeitsmarktreformen noch zu keinen nennenswerten Konsequenzen geführt. Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) sagte vorige Woche, dass erst der Abschlussbericht Ende des Jahres eine „belastbare Grundlage“ für die Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik bilden könne: „Voreilige Konsequenzen machen keinen Sinn.“ Elke Spanner