Toleranz etc.
: Das vermaledeite Wörtchen „und“

„Und“ ist ein unscheinbares Wort, das man verwendet, ohne groß darüber nachzudenken. Aber es kann auch eine Dummheit sein, eine Falle, ein Fehler. Allzu oft ist es das zurzeit.

Konfrontiert man einen alten Hippiespruch mit Luhmanns Liebessemantik, wird klar, wie das geschieht. Love, peace and happiness – drei schöne Dinge, durch eine schlichte Aufzählung verknüpft. Wer aber je Luhmanns „Liebe als Passion“ gelesen hat, weiß, dass mehr Liebe nicht mehr Frieden und Glück auf Erden garantiert. Vielmehr setzt mehr Liebe eine größere Nähe zwischen den Menschen voraus, dadurch steigt aber die Möglichkeit von Streitereien und Konflikten. Wer mehr Liebe will, muss im Zweifel auch mehr Unglück unter den Menschen wollen. Liebe mit Glück durch ein simples „und“ zu verknüpfen ist allerhöchstens ein Erlösungswunsch. „Und“ macht dumm!

Wie gefährlich das Wort „und“ auch sein kann, war in einem ganz anders gelagerten Fall vor einem Jahr in Dresden zu sehen. Merkwürdigerweise hielt man es für eine gute Idee, zugleich der Opfer der alliierten Bombenkrieges und der Opfer der nazistischen Gewaltherrschaft zu gedenken. Die NPD brauchte dieses „und“ nur noch aus dieser Konstruktion herauszutreten, und schon entstand das furchtbare Wort „Bombenholocaust“, über das sich dann alle so empörten.

Derzeit wird sich im Westen viel für Meinungsfreiheit und Toleranz ausgesprochen. Da haben wir es wieder, das vermaledeite Wörtchen „und“. Als wenn es so einfach wäre! Diesmal ermöglicht es wohlfreie Bekenntnisse, verdeckt dabei allerdings komplett das Problem, um das es eigentlich geht. Schließlich lassen sich bei den dänischen Karikaturen Meinungsfreiheit und Toleranz gerade nicht zur Deckung bringen. Wären alle Menschen tolerant, gäbe es mit der Meinungsfreiheit sowieso kein Problem. Wer Meinungsfreiheit will, muss auch Intoleranz zulassen, das ist der Punkt. So leicht, wie eine bloße Aufzählung es suggeriert, lassen sich die beiden Grundwerte eben nicht verknüpfen. Nichts gegen Meinungsfreiheit. Nichts gegen Toleranz. Es ist das Wörtchen „und“, das gegenwärtig lügt. Es überbrückt einen Abgrund. Und sobald man nur dagegenpustet, fällt es hinein. DIRK KNIPPHALS