„Notverkäufe sind kein Konzept“

Landeseigene Wohnungen zu veräußern sei kurzsichtig, kritisiert Klaus Lederer, Berliner Vorsitzender der Linkspartei, den Koalitionspartner SPD. Er kündigt einen verstärkten Einsatz für arme Viertel an

INTERVIEW: MATTHIAS LOHRE

taz: Herr Lederer, nach vier Jahren rot-rotem Sparkurs fragen sich manche Beobachter: Warum sollen wir der Linkspartei bei der Abgeordnetenhauswahl im September erneut die Stimme geben?

Klaus Lederer: Wir haben vieles geleistet. Und die Linkspartei.PDS hat selbst bei schwierigen Entscheidungen stets auf die soziale Balance geachtet.

Aber was hat die Ex-PDS bis 2011 vor? Grundstürzend Neues haben Sie nicht zu bieten.

Grundstürzend war unsere Ausgangslage nach elf Jahren großer Koalition. Berlin war oberpleite und skandalerschüttert. Wir mussten daher seit 2002 erst mal viel Schutt wegräumen – bei den Landesfinanzen, in der öffentlichen Verwaltung und bei den kommunalen Unternehmen. Das waren schwierige Hausaufgaben. Das Maßgebliche haben wir geschafft: Der Landeshaushalt ist fast ausgeglichen, die Klage beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe auf Finanzhilfen läuft.

Und was kommt jetzt?

Nun wollen wir diese neuen Spielräume, die wir schwer genug erkämpft haben, auch nutzen. Ein großes Thema der Linkspartei.PDS ist die „soziale Stadt“, ein weiteres „mehr Demokratie“, ein drittes „länger gemeinsam lernen“.

Ein bisschen konkreter bitte, wenn’s geht.

Das neue Berlin hat zwei Gesichter. Es gibt Gegenden, wie etwa rund um den Kollwitzplatz, die sind saniert, zum Teil gestylt. Da leben Berlinerinnen und Berliner, die sich das leisten können. Andere mussten weichen. Und es gibt Viertel, da ist die zunehmende Armut alltäglich und sichtbar. Hartz IV hat da noch mal einen Schub gebracht. Diesen Vierteln müssen wir uns viel mehr und viel effektiver widmen. Wir wollen nicht, dass Berlin zerfällt in Arm und Reich. Wir wollen möglichst überall eine schichtübergreifende Kommunikation, ein gutes Miteinander. Das ist eine Aufgabe für die ganze Stadt, für die „soziale Stadt“. Und darauf konzentrieren wir uns politisch.

Das liegt dem Senat scheinbar weniger am Herzen: Die SPD-SenatorInnen Ingeborg Junge-Reyer und Thilo Sarrazin wollen bis zur Hälfte der der rund 30.000 landeseigenen Wohnungen der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) verkaufen. Was bleibt da von der „schichtenübergreifenden Kommunikation in den Vierteln“?

Der Wohnungsverkauf ist eine Entscheidung des Aufsichtsrates der WBM einschließlich Senatorin Junge-Reyer, aber nicht des Senats. Wir finden sie falsch. Denn sie folgt dem Motto: „Wir haben ein Liquiditätsproblem, also verkaufen wir was.“ Das ist kurzsichtig.

Auch Ihr Koalitionspartner will rund 275.000 Wohnungen als Landeseigentum behalten.

Das bloße Bekenntnis eines SPD-Parteitags reicht nur nicht. Es sind SPD-Senatoren, die die Wohnungsprivatisierung billigen. Sie haben es versäumt, bislang ein Konzept zu entwickeln, das den kommunalen Wohnungsbestand langfristig und wirtschaftlich sichert. Unsere PDS-Senatoren standen und stehen vor ähnlichen Aufgaben in öffentlichen Unternehmen, für die sie zuständig sind. Das reicht vom Krankenhaus-Unternehmen Vivantes bis zur Berliner Stadt-Reinigung. Ich finde, sie waren da recht erfolgreich, auf jeden Fall weitsichtiger.

Aber über einen öffentlichen Aufschrei sind Sie beim Thema WBM bislang nicht hinausgekommen. Passiert noch etwas bis zur Abgeordnetenhauswahl?

Noch mal: Die politische Primärverantwortung für die Wohnungsgesellschaften liegt bei der SPD. Was wir dazu beitragen können, das werden wir selbstverständlich tun. Denn Notverkäufe sind kein Konzept.

Zunächst müssen Sie die Wahl gewinnen. Mit einer widerspenstigen WASG im Nacken, die nicht fusionieren will, sondern alles tut, um die Linkspartei als neoliberal zu brandmarken. Wie wollen Sie da den Wahlkampf überstehen?

Unser Angebot steht: Wir wollen mit allen WASGlern sprechen, die mit uns seriös über linke Stadtpolitik diskutieren wollen. Und wir tun das auch. Unsere Vorstandsmitglieder reisen dafür von Hamburg bis München. Wenn uns dabei ab und zu Wahlalternativler verbal steinigen, dann halten wir das aus.

Warum ersparen Sie sich das nicht? Wahlalternative und Linkspartei sind doch de facto bereits KonkurrentInnen.

Es geht um ein bundesweites Projekt, um eine neue, starke Linke. Dafür sind wir. Wenn sich die Berliner WASG allerdings mehrheitlich per Urabstimmung für einen eigenständigen Wahlantritt entscheidet, dann organisieren auch wir unseren eigenen Wahlkampf. Länger können wir nicht warten. Und wer dann von der Berliner WASG mit uns Politik machen will, ist herzlich willkommen.

Eine ganz andere Konkurrenz könnte Ihnen am Wahltag zu schaffen machen: Friedbert Pflüger. Je besser die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten abschneidet, desto wahrscheinlicher wird Rot-Rot-Grün. Können Sie mit den Grünen?

Wir kämpfen dafür, dass es wieder für Rot-Rot reicht …

natürlich.

Mit den Grünen haben wir einiges gemeinsam, beispielsweise bei den Themen Innenpolitik, Integration und Bürgerrechte. Aber die Differenzen werden spätestens deutlich, wenn es ums Ja oder Nein zur Privatisierung öffentlicher Unternehmen geht.