Serbiens Ultranationalisten rüsten auf

Parteichef bezeichnet die eventuelle Unabhängigkeit des Kosovo als Okkupation des eigenen Territoriums

BELGRAD taz ■ Eine eventuelle Unabhängigkeit des Kosovo werde Serbien als „Okkupation“ seines Territoriums ansehen, hat der Chef der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS), Tomislav Nikolić, erklärt. Er habe sich am vergangenen Freitag mit Premier Vojislav Koštunica auf eine Parlamentsresolution geeinigt, die im Falle einer „oktroyierten“ Souveränität der südserbischen Provinz die Streitkräfte verpflichten soll, die „territoriale Integrität Serbiens mit allen Mitteln zu verteidigen“.

Die Meldung löste heftige Diskussionen aus. Brüssel zeigte sich besorgt. Der Premier dementierte nicht die Erklärung des Radikalenführers Nikolić. Regierungssprecher Srđjan Đjurić erklärte, dass Kosovo „Bestandteil Serbiens war, ist und bleiben wird“. Denn das internationale Recht beruhe auf dem Prinzip der „territorialen Integrität und Souveränität“ jedes international anerkannten Staates. Der national-konservative Koštunica hatte zuvor verkündet, dass er eine Unabhängigkeit des Kosovo niemals akzeptieren würde. Serbien werde sich nie mehr auf einen Krieg mit „Großmächten“ einlassen, meinte Verteidigungsminister, Zoran Stanković. Dann wohl mit „Kleinmächten“, kommentierten manche Medien.

Die Verhandlungen zwischen Belgrad und Prishtina durch die Vermittlung der UNO über den zukünftigen Status des Kosovo sollen am 20. Februar in Wien beginnen. Die Verhandlungspositionen sind unversöhnlich: Prishtina will die Unabhängigkeit, Belgrad lehnt das kategorisch ab.

Doch mit dem Kosovo enden die Probleme der „territorialen Integrität“ für Belgrad nicht. Das Referendum über die Unabhängigkeit Montenegros werde am 30. April stattfinden, erklärte der Außenminister der kleineren Teilrepublik der Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro (SCG), Miodrag Vlahović, am Samstag und gab sich zuversichtlich über den „positiven“ Ausgang des Volksbegehrens.

Während sich Kosovo und Montenegro auf die Ausrufung der Souveränität einstellen, trifft Belgrad gar keine Vorbereitungen für den politischen Erdrutsch: weder für den Zerfall der Staatengemeinschaft mit Montenegro noch für die wahrscheinliche neue Grenzziehung seines Territoriums. Serbische Abgeordnete genießen seelenruhig die Winterpause. Belgrad benimmt sich, als ob der unhaltbare Status quo ewig halten würde.

Die von Korruptionsaffären erschütterte, um ihre knappe Mehrheit bangende Minderheitsregierung wirkt überfordert. Im innenpolitischen Machtkampf scheut sich Koštunica nicht, mit Kräften zu paktieren, die Serbien in den 90er-Jahren in den Krieg gehetzt haben. Derzeit sind die Radikalen von Šešelj Umfragen zufolge mit mehr als dreißig Prozent stärkste Partei in Serbien. ANDREJ IVANJI