Südafrikas Moralprediger im freien Fall

Wegen Vergewaltigung einer HIV-positiven Aidsaktivistin steht Jacob Zuma, bis vor kurzem Südafrikas Vizepräsident und Leiter der „moralischen Erneuerung“ am Kap, vor Gericht. Manche ANC-Linken halten noch zu ihm – Frauengruppen sind entsetzt

AUS JOHANNESBURG MARTINA SCHWIKOWSKI

Begleitet von Demonstrationen hat gestern vor dem Obersten Gerichtshof in Johannesburg ein Prozess gegen Südafrikas Exvizepräsident Jacob Zuma begonnen – wegen Vergewaltigung. Der einstige Hoffnungsträger des linken Flügels in Südafrikas Regierungspartei ANC (Afrikanischer Nationalkongress) steht wegen sexuellen Missbrauchs an einer 31-jährigen Aidsaktivistin vor Gericht. Über Zuma hängt schon eine weitere, im Juli zu verhandelnde Anklage wegen Korruption, die zu seiner Absetzung als Vize durch Präsident Thabo Mbeki im Juni 2005 geführt hatte.

In der Innenstadt demonstrierten etwa fünfzig Anhänger der Frauengruppe „People Against Women Abuse (POWA)“ vor dem Gericht mit Plakaten wie „Vergewaltigung ist immer ein Verbrechen“. Ihr Protest war schweigend, während auf der Straße gegenüber hunderte Zuma-Unterstützer singend und tanzend ihre Slogans auf ihren T-Shirts zeigten: „100 Prozent Zulu“ und „Mann des Vertrauens“ bescheinigten sie dem populären Politiker, der vor Gericht gelassen auftrat und die Anschuldigung gegen ihn bestreitet.

Als Anfang November 2005 die Klägerin, eine langjährige Freundin der Familie Zuma, in seinem Haus in Johannesburg zu Besuch war und dort übernachtete, tauchte der ehemalige Vizepräsident angeblich nachts in ihrem Schlafzimmer auf und bot eine Massage an. Als die HIV-positive Frau ablehnte, vergewaltigte er sie, behauptet sie. Der Skandal entwickelte sich, nachdem sie öffentlich zunächst den Vorfall bejahte, dies dann zurückzog und dann doch wieder vorbrachte. Zuma hatte zunächst die Tat abgestritten, dann unter Druck zugegeben, doch Sex mit der Frau gehabt zu haben – mit ihrem Einverständnis.

„Das zeigt, was Zuma über Frauen denkt“, sagt Carrie Shelver, Sprecherin der Frauenrechtsgruppe POWA. „Das ist ein typisches Verhalten in solchen Fällen. Nach der Vergewaltigung plädieren die Männer auf Einverständnis beim Sex und dann geht es um Beweise.“ Die lägen jedoch in diesem Fall vor, glaubt sie. Südafrika müsse nun ein klares Signal senden, dass Opfer von Vergewaltigung endlich ernst genommen und Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Südafrika hat die höchste Vergewaltigungsrate auf der Welt. Laut Shelver wird alle sechs Stunden in Südafrika eine Frau von einem Mann umgebracht. Nur in sieben Prozent aller Vergewaltigungsfälle werden Täter verurteilt, und die Dunkelziffer von Frauen, die aus Angst und Abhängigkeit von Männern nicht aussagen, ist hoch: „Mit Geld können sich jedoch häufig Täter aus der Affäre ziehen und Akten verschwinden lassen“, erklärt die Frauenrechtlerin Shelver. Die Anklage wiegt umso schwerer, da Zuma das Programm der „moralischen Erneuerung“ in Südafrika leitet, mit dem die ANC-Regierung seit einigen Jahren moralische Werte fördern will.

Im Dezember hatte Zuma angekündigt, von allen Ämtern zurückzutreten, auch als Vizepräsident des ANC. Dennoch wirkt er beim ANC-Wahlkampf für die am 1. März anstehenden Lokalwahlen mit. Die Jugendliga des ANC will Jacob Zuma bei der nächsten Präsidentenwahl 2009 als ANC-Spitzenkandidat und als Sieger sehen. Im Vorfeld der Korruptionsaffäre hatten Südafrikas Gewerkschaftsverband und die Kommunistische Partei Zuma verteidigt und die Vorwürfe gegen ihn als Verschwörung abgetan. Zuma ist Zulu und daher wichtig für die Stellung des ANC in der der Provinz KwaZulu-Natal, traditionell die schwächste Region der südafrikanischen Regierungspartei. Er zieht dort die Massen mit seinen Reden an, in denen er sich auf Seiten der Armen stellt, die sich von Präsident Mbekis konservativer Wirtschaftspolitik vernachlässigt fühlen. Aber nach der Vergewaltigungsanklage ist es um die Unterstützung der Linken nach außen hin ruhiger geworden.

Der Prozess begann gestern turbulent. Zumas Anwälte schafften es, den Vorsitzenden Richter Bernhard Ngoepe wegen Befangenheit abzusetzen. Ngoepe hatte im August veranlasst, Zumas Büros nach belastenden Materialien für den Korruptionsfall zu durchsuchen.