Protest gegen Karikaturen behindert Hilfe

Die Versorgung der Erdbebenopfer in Pakistan kommt aus Angst vor Gewalt gegen Ausländer fast zum Erliegen. Bislang kamen bei den Ausschreitungen gegen westliche Firmen oder Musikläden sieben Menschen ums Leben. Die Polizei hält sich zurück

AUS ISLAMABAD NILS ROSEMANN

Sicherheitsbedenken und Angriffe auf Ausländer in Pakistan behindern die Erdbebenhilfe immer stärker. Bei den Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft geht es darum, das Überleben von 3,5 Millionen Menschen nach dem Beben vom 8. Oktober vergangenen Jahres zu sichern. Seit dem Wochenende nimmt die Gewalt gegen ausländische Einrichtungen im Zusammenhang mit den landesweiten Proteste gegen die in der dänischen Zeitung Jyllands-Posten veröffentlichten Mohammed-Karikaturen zu.

Ziel der Angriffe sind vor allem die Büroräume des norwegischen Mobilfunkunternehmens Telenor, Restaurants der Imbissketten KFC und McDonald’s, Shell-Tankstellen und Filialen der Citibank. In der Nordwest-Grenzprovinz, in der fünf der neun vom Erdbeben betroffenen Distrikte liegen, richtet sich die Gewalt gegen alles, was auch nur den Anschein hat, westlich zu sein. Internetcafés, Musik- und Telefonläden werden in Brand gesetzt, es gibt Verletzte und Tote, aber die Polizei greift nur selten ein. Innenminister Aftab Ahmed Khan Sherpao erklärte, dass die Sicherheitskräfte zwar angewiesen seien, ausländische Einrichtungen zu schützen, jedoch wegen der sensiblen Frage nicht zu harsch vorgehen würden.

Internationale Hilfsorganisationen weisen deshalb ihr Personal an, sich so wenig wie möglich in der Nähe potenzieller Angriffsziele aufzuhalten. „Die Situation ist besonders Besorgnis erregend, wenn man die große Anzahl des norwegischen, dänischen und französischen Hilfspersonals betrachtet“, hieß es bereits vergangenen Freitag in einer Stellungnahme der UNO. Dänische und norwegische Helfer sollten durch Angehörige anderer Nationalitäten ersetzt werden, hieß es weiter. Alle internationalen Helfer seien angewiesen, nach Islamabad zurückzukehren und die Öffentlichkeit zu meiden, bis sich die Situation beruhigt habe. In einer Presseinformation der UNO vom Sonntag hieß es hingegen: „Es gibt keine Entscheidung, UNO-Personal einer bestimmten Nationalität wegen der Sicherheitsbedenken abzuziehen.“ Nach den Gewaltausbrüchen in den Provinzhauptstädten Lahore und Peshawar, bei denen mindestens sieben Menschen ums Leben kamen, wurden bereits UN-Büros geschlossen.

Die widersprüchlichen Aussagen zeigen die Unsicherheit der Beteiligten. Viele Nichtregierungsorganisationen treffen ihre eigenen Entscheidungen. Vor allem kleinere, christliche Organisationen, wie das Hunger Emergency Relief Team in Muzaffarabad haben aus Angst vor Übergriffen ihre Arbeit eingestellt. „Die Unruhen sind extrem frustrierend für die Hilfseinheiten, da ein Großteil der Verteilung für die kommende Woche geplant war und von mehreren hundert Familien sehnsüchtig erwartet wurde“, heißt es in einer Erklärung. Hinzu kommt, dass internationale Ärzteteams unsicher sind, wie sich das von der Regierung beschlossene Import-, Verkaufs- und Verwendungsverbot für Medikamente aus Staaten, in denen die Karikaturen veröffentlicht wurden, auswirken wird.

Die UNO setzt nun verstärkt auf die Versorgung aus der Luft. Hierfür fehlen jedoch mittlerweile Geld und Logistik. „Es sieht so aus, als ob die Hilfsaktionen nächste Woche in finanzielle Turbulenzen geraten, wenn keine neuen Mittel kommen“, erklärte ein Mitarbeiter des Welternährungsprogramms der UNO, der nicht genannt werden wollte. Zirka eine halbe Million Dollar pro Tag kostet der Transport von überlebenswichtigen Gütern ins Erdbebengebiet. Die vorhandenen Mittel gehen in diesen Tagen zu Ende.