Asbest-Schiff muss nach Frankreich zurück

Oberstes Verwaltungsgericht in Frankreich entschied, dass Flugzeugträger nicht in Indien entsorgt werden darf

PARIS taz ■ Die „Clemenceau“ war jahrzehntelang ein Stolz der französischen Marine. Jetzt gerät ihre Verschrottung zu einer giftigen Staatsaffäre. Gestern Mittag erklärte der Conseil d’État in Paris, dass es illegal sei, den Flugzeugträger auf einer indischen Schrottbaustelle zu entsorgen. Umweltschützer hatten das oberste französische Verwaltungsgericht angerufen, das nun gestern erklärte, es handele sich um einen Mülltransfer. Dies widerspreche den EU-Richtlinien. Staatspräsident Jacques Chirac befahl daraufhin gestern, die „Clemenceau“ nach Frankreich zurückzubeordern. Der Flugzeug dümpelte seit Tagen in den extraterritorialen Gewässern vor Indien; der genaue Ort wurde geheim gehalten.

Am Sonntag reist Chirac nach Indien. Kurz vor dem Staatsbesuch ist die Affäre denkbar peinlich. Zumal sich längst auch die indische Justiz mit der „Clemenceau“ befasst. Das oberste indische Gericht hatte sich bereits Anfang der Woche geweigert, die Verschrottung zu genehmigen. Stattdessen wurde von Paris eine exakte Auflistung der Schadstoffe im Schiffsbauch verlangt – von Asbest bis Blei. Darüber gibt es höchst widersprüchliche Informationen: Die französische Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie spricht von 45 Tonnen Asbest auf der „Clemenceau“, die 48 Jahre alt und 265 Meter lang ist. Umweltverbände gehen von bis zu 1.000 Tonnen Asbest aus.

Die Odyssee der „Clemenceau“ begann im Jahr 2002. Damals wurde der ausgemusterte Flugzeugträger an das spanische Unternehmen Gijonesa verkauft, um in Spanien verschrottet zu werden. Als er stattdessen im Herbst 2003 auf dem Weg zu einer türkischen Schrottstelle gesichtet wurde, kündigte der französische Staat den Vertrag mit den Spaniern.

Als nächstes Unternehmen übernahm dann die SDI, eine Tochtergesellschaft der deutschen ThyssenKrupp, die „Clemenceau“. Denn die 24.200 Tonnen Stahl des Flugzeugträgers versprachen ein lukratives Schrottgeschäft. Allerdings befindet sich auf allen Schiffen aus der Generation „Clemenceau“ Asbest an Bord. Einen Teil wollte die SDI in Piräus entsorgen lassen. Doch Athen lehnte ab. Danach wich die SDI auf den Hafen von Toulon aus. Nachdem dort die Oberflächen vom Asbest gereinigt worden waren, verblieb – so das Unternehmen – nur noch jener Asbest an Bord, der fester Bestandteil der Schiffsstruktur sei und noch für die letzte Reise nach Indien gebraucht würde.

Doch schon in Toulon lief vieles schief. Mehrere Dutzend Tonnen Asbest, die dort angeblich aus dem Flugzeugträger geholt wurden, sind nie auf der Sondermüllhalde angekommen. Die französische Verteidigungsministerin klagt daher inzwischen vor Gericht gegen die Entsorgung in Toulon.

Seit die „Clemenceau“ am 31. Dezember den Hafen Toulon verließ, häuften sich ihre Probleme: In Paris demonstrierten Asbestoseopfer gegen den Export von Giftstoffen. Die ägyptischen Behörden verweigerten dem Schiff tagelang die Reiseerlaubnis durch den Suezkanal. Greenpeaceler kletterten an Bord. In Indien protestierten Umweltverbände, Medien und Justiz.

Auf der indischen Schrottbaustelle von Alang werden seit 22 Jahren Schiffe zu Dumpingpreisen verschrottet. 300 pro Jahr. Rund 20.000 Menschen arbeiten dort für maximal 2 Euro Lohn pro Tag. Unter Arbeitsbedingungen, die europäischen Sicherheits-, Umwelt- und Sozialstandards spotten. Eine Verschrottung der „Clemenceau“ in Europa wäre mindestens 5 Millionen Euro teurer.

Paradoxerweise ist die „Clemenceau“ eines der „saubersten“ Schrottschiffe, das je Alang angepeilt hat. Die meisten anderen Schiffe kommen ohne vorherige Oberflächenentsorgung dort an. Wieder andere werden angeblich auf hoher See versenkt.

Jean-Paul Hennequin von der Seefahrergewerkschaft CGT betrachtet die „Clemenceau“-Affäre positiv: „Sie könnte eine Lehre für Schiffsbauer und -betreiber in Europa werden.“DOROTHEA HAHN