Die Sache läuft rund

„Find me guilty“ von Sidney Lumet erfrischt als gut gemachte Gangsterkomödie zwischen den überambitionierten Produktionen des diesjährigen Wettbewerbs

Testosteron und Koks sind die beiden wichtigsten Drogen im Leben von Jackie DiNorscio. Vom einen hat er so unglaublich viel, dass er auf das andere eigentlich verzichten könnte – wenn er damit nicht sein Geld verdienen würde. Und genauso wie Gelegenheit Diebe macht, verführt sie offenbar auch zum Koksen.

Doch mit Drogenhandel und -konsum ist es zu Beginn von „Find me guilty“ ziemlich schnell vorbei. „Jackie Dee“, wie ihn seine italoamerikanischen Freunde nennen, wird bei einem Deal geschnappt und zu 30 Jahren Haft verknackt. Die Richterin schwört, dass er keinen Tag früher wieder rauskommen wird, unter anderem weil er bei der Urteilsverkündung eingeschlafen ist. Jackie macht es anderen nicht gerade leicht, ihn zu mögen – und hat gerade deswegen bei den Zuschauern schnell einen Stein im Brett, besonders wenn die anderen so pomadig-fies sind wie Staatsanwalt Sean Kierney (Linus Roache). Der bestellt Jackie eines Tages in sein Büro, bewirtet ihn fürstlich und bietet ihm an, als Kronzeuge gegen seine Mafiasippe auszusagen – ohne Jackie! Er beschimpft Kierney unflätig, aber sehr lustig und geht zurück in seine Zelle, wo er wegen einer Schusswunde am Rücken, die ihm sein Junkie-Cousin verpasst hat, nachts auf einem schäbigen Sessel schläft. Der längste Prozess in der amerikanischen Justizgeschichte kann beginnen.

Regie-Altmeister Sidney Lumet wechselt mit dem auf einer wahren Begebenheit basierenden „Find me guilty“ die Seiten, konzentriert sich auf die 20 Angeklagten des Lucchese-Clans und nicht auf „Die zwölf Geschworenen“ wie in seinem gleichnamigen Kinodebüt von 1957. Damit schließt sich im Werk des 1924 geborenen Lumet ein Kreis, wie er runder kaum sein könnte.

Denn „Find me guilty“ ist ein richtig guter Film geworden – kein Bären-Anwärter zwar, dafür fehlt ihm wohl die politische Brisanz –, doch wirkt gerade die Harmlosigkeit dieser Gangsterkomödie inmitten vieler ambitionierter bis überambitionierter Produktionen erfrischend – wie der beschwingte Jazzteppich, auf dem der Film rund zwei Stunden dahingleitet. Hinzu kommt, dass der notorische Muskelprotz Vin Diesel („Der Babynator“, „xXx – Triple X“), der ein gut aufgelegtes B-Ensemble anführt, auch als von zu viel Pasta verfetteter Ganove mit schütterem Haar bella figura macht.

Weil er eh nichts zu verlieren hat, feuert Jackie seinen teuren Anwalt und nimmt seine Verteidigung selbst in die Hand. Der zum Bersten gefüllte Gerichtssaal wird zur Bühne der Jackie-Dee-Show. Großmäulig wie ein kleiner Junge albert, pöbelt und kalauert sich der selbsternannte „Gagster“ durch den Prozess, treibt den sympathischen Richter Finestein (Ron Silver) und den aalglatten Staatsanwalt Kierney gleichermaßen zur Verzweiflung – und die Geschworenen geradewegs in seine Arme.

Und die Moral von der Geschicht? Zum Glück keine. Regisseur Sidney Lumet tut gut daran, den Zuschauer nicht zu bevormunden. Sympathie für einen einzelnen Gangster und dessen absolute Loyalität zu zeigen, leugnet dessen Verbrechen nicht und erst recht nicht die der Mafia. Denn dass mit denen, mal abgesehen von Jackie Dee, nicht zu spaßen ist, weiß schließlich jedes Kind. DAVID DENK

„Find me guilty“. Regie: Sidney Lumet. USA 2006, 125 Min.