Teure Rückmeldung vom Gericht

Oberverwaltungsgericht hält Rückmeldegebühren an Berliner Hochschulen für verfassungswidrig. Studierende hoffen auf Erstattung in zweistelliger Millionenhöhe. Unis sehen das Land in der Pflicht

VON NINA APIN

Die Rückmeldegebühren an Berliner Universitäten sind verfassungswidrig. Zu diesem Urteil kam das Berliner Oberverwaltungsgericht (OVG). In der gestern veröffentlichten Urteilsbegründung heißt es, die Gebühr von 51,13 Euro pro Semester stehe in einem groben Missverhältnis zum tatsächlichen Verwaltungsaufwand. Der liegt nach Berechnungen des Gerichts um das 4,5-Fache niedriger, nämlich bei exakt 11,42 Euro pro Rückmeldung. Als Folge dieses Urteils dürften auf die Unis Kosten in zweistelliger Millionenhöhe zukommen.

Die Rückmeldegebühr geht auf das von der großen Koalition beschlossene Hochschulstrukturgesetz zurück. Es galt von 1997 bis 2003. Allein im Wintersemester 1997/98 zahlten die 133.722 in Berlin eingeschriebenen Studierenden insgesamt 6.837.205,80 Euro. Die Rechtmäßigkeit der Gebühr war von Anfang an umstritten. Ein Student der Humboldt-Universität (HU) und eine Studentin der Technischen Universität (TU) hatten schon vor Jahren dagegen geklagt. Auch mit dem Urteil des OVG findet der Weg durch die Instanzen kein Ende. Das Urteil wird zur Prüfung an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe weitergeleitet.

Wenn man auch dort den Studenten Recht gibt, „dann kann das sehr bitter für die Berliner Unis werden“, sagt Thomas Neie. Der Leipziger Fachanwalt für Hochschulrecht beriet Studentenvertreter der HU bei ihrem Widerstand gegen die Gebühren. Seiner Meinung nach haben Studierende eine gute Chance, ihr Geld wiederzubekommen. Die Berliner Unis hätten bei der Einführung der Gebühren einen formalen Fehler gemacht, der könne sie nun teuer zu stehen kommen kann: Man habe es versäumt, die Gebühren per Bescheid anzukündigen, sagt Neie. Ohne Bescheid keine Rechtsgrundlage, ohne Rechtsgrundlage keine Wirksamkeit des Gesetzes. „Dann müssen die Unis zahlen“, so der Anwalt.

Studenten wie der 25-jährige Thomas K. können auf die Rückerstattung von bis zu mehreren hundert Euro hoffen. Bei seinem Studienanfang vor elf Semestern zahlte der Geschichtsstudent noch 100 Mark, später 51,13 Euro pro Halbjahr. Die Gebühr zahlte er stets unter Protest. Seinem Rückmeldezettel fügte er die Bemerkung „Unter Vorbehalt der Rechtmäßigkeit“ hinzu. „Ich wollte der Uni damit signalisieren, dass ich mit dieser Gebühr nicht einverstanden bin“, sagt der HU-Student, der im Nebenfach Jura studiert.

Offen ist jedoch, wer die Zeche zahlen muss. Die Verantwortung wird zwischen den Beteiligten hin und hergeschoben. Thomas Eschke, Leiter der Rechtsstelle an der Humboldt-Universität, verweist auf den damaligen Senat. Der habe die Unis zur Erhebung der Gebühren gezwungen und gleichzeitig Hochschulmittel gekürzt. „In letzter Konsequenz ist das ein Problem des Landes und nicht der Hochschulen“, sagt Eschke. Im Büro des Wissenschaftssenators räumt man ein, dass das Land zwar im damaligen Hochschulvertrag Verantwortung für etwaige Folgekosten aus dem Hochschulvertrag übernommen habe, dafür müsse aber der Finanzsenator aufkommen.

Bis ein Urteil aus Karlsruhe ergeht, haben die Beteiligten genug Zeit, sich gegeneinander in Stellung zu bringen. Orientieren können sie sich an einem Präzedenzfall: 2003 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Rückmeldegebühren in Baden-Württemberg verfassungswidrig seien. Die Universitäten im Ländle mussten daraufhin die im Wintersemester 1997/98 erhobenen Gebühren zurückzahlen. Größerer finanzieller Schaden wurde dadurch verhindert, dass das Bundesland flugs sein Hochschulgesetz änderte. In Berlin hatte man daran immerhin schon im Jahr 2004 gedacht.