Braune Prominenz schleicht sich in Elternrat

Neonazichef Wulff lässt sich als Vater in Kreiselternrat wählen – erst Monate später fällt er durch eine Kampagne auf

BERLIN taz ■ Ihre erste und einzige Begegnung mit dem prominenten Neonazistrategen Thomas Wulff hat die Kreiselternratsvorsitzende aus Groß Krum als unspektakulär in Erinnerung. „Der sah völlig normal aus“, sagt Birgit Menshen. „Er hat sich auch völlig normal verhalten. Ich hatte noch nichts von dem gehört.“ So dachte sie sich auch nichts, als sich der Familienvater für einen Posten im Kreiselternrat Ludwigslust anbot. Das war im vergangenen Herbst. Inzwischen hat Menshen einige Lektionen in Sachen rechtsextremer Propaganda gelernt – und nicht nur sie.

Denn seit einigen Wochen befindet sich der Neonazi auf Werbefeldzug für eine Unterschriftenaktion des Landeselternrats Mecklenburg-Vorpommern gegen das Schulgesetz. Seine öffentlichen Unterstützungsappelle an die „nationale und soziale Opposition“ unterschreibt Wulff nicht als persönlicher Referent des NPD-Chefs Udo Voigt oder Mitglied im Bundesvorstand der rechtsextremen Partei. Er zeichnet ganz bescheiden als Mitglied im Kreiselternrat Ludwigslust. Die freundliche Unterstützung von rechts außen löste Katastrophenalarm im Landeselternrat Mecklenburg-Vorpommerns aus. Zwar ist es nicht neu, dass sich Rechtsextreme auch Elternbeiräte als Forum für ihr Gedankengut erschließen wollen. Aber bisher hatten die Elternfunktionäre das Thema offenbar so ernst nicht genommen.

Nun ist die Bestürzung groß. „Wir haben nach dem Schulgesetz rechtlich keine Möglichkeiten, jemanden wegen seiner politischen Tätigkeiten auszuschließen“, sagt die oberste Landeselternrätin Anja Ziegon. Und wenn Neonazis Unterschriften gegen das Schulgesetz sammeln, kann das auch keiner verhindern. Was tun? Der Landeselternrat distanzierte sich erst mal öffentlich vom braunen Gedankengut und bat das Mobile Beratungsteam gegen Rechtsextremismus aus Schwerin um Hilfe.

Bleibt die Frage: Wie schafft es eine bekannter Neonazi überhaupt in einen Kreiselternrat? Theoretisch so: Er muss im Klassen- und Schulelternrat sitzen, zu dessen Vorsitzenden gewählt oder eigens in das Kreisgremium delegiert werden. Dass es im Fall Wulff anders lief, hat sich zur Landeselternratschefin noch nicht herumgesprochen. Nach Informationen des Mobilen Beratungsteams ist Wulff zwar Schulelternrat in Boizenburg. Dem Kreiselternrat gehöre er aber gar nicht an – er tue einfach so als ob.

Der Fall sagt viel über Rechtsextreme, ihre Propagandastrategien und ihr Demokratieverständnis. Laut der Ludwigsluster Kreiselternratschefin tauchte Wulff im Herbst bei einer Sitzung auf, bewarb sich um einen Posten und wurde prompt gewählt. Nach der Sitzung merkte Menshen: „Dieser Herr Wulff ist gar kein Delegierter einer Schule.“ Also hätte er sich auch nicht wählen lassen dürfen. Menshen nahm ihn aus dem Verteiler: „Und fertig war die Laube.“ Wulff sei nie wieder aufgetaucht. Erst Monate später erfuhr Menshen, wer sich da eingeschlichen hatte.

Für den Rechtextremismusfachmann Günther Hoffmann, bis 2003 selbst im Landeselternrat Mecklenburg-Vorpommerns aktiv, mindert das nicht die Brisanz des Falls. Gerade als Schulelternrat könne ein Neonazi wie Wulff über die Schulkonferenz direkten Einfluss auf den Alltag der Schulen nehmen. Er verlangt deshalb eine „massive Aufklärungskampagne“ bei den Eltern. „Da ist bisher nichts gelaufen, dabei war das Problem seit Jahren bekannt.“

Wulff war auf taz-Anfrage zum Thema Elternrat nicht zu sprechen. NPD-Sprecher Klaus Beier versicherte aber, neben Wulff säßen bereits eine ganze Reihe seiner Parteifreunde in Kita- und Schulvertretungen. Nur machten sie dies meist nicht groß publik: „Auch der Kinder wegen.“ ASTRID GEISLER