„Wir blicken im Moment nicht durch“

Experten stehen vor einem Rätsel, wie das gefährliche Vogelgrippevirus H5N1 eingeschleppt wurde. Wolfgang Fiedler vom Max-Planck-Institut für Ornithologie warnt: Jeder Vogel kann sich anstecken. Langfristig können neue Impfstoffe helfen

INTERVIEW TARIK AHMIA

taz: Herr Fiedler, demnächst kehren die Zugvögel zurück. Werden sie noch mehr Vogelgrippenviren nach Deutschland einschleppen?

Wolfgang Fiedler: Die Zugvögel sind nicht mehr entscheidend. Das Virus ist schon da. Es wird sich durch den Kontakt der bereits vorhandenen Vögel verbreiten.

Wie haben sich die Vögel auf Rügen mit dem hochansteckenden H5N1-Virus infiziert?

Da blicken wir im Moment nicht durch. Es ist unklar, wie sich die Schwäne auf Rügen angesteckt haben. Denn sie waren nie in Gebieten, wo H5N1 nachgewiesen wurde. Zurückkehrende Zugvögel scheiden als Infektionsquelle auch aus, weil sie noch nicht unterwegs sind.

Wie kam es dann zur Vogelgrippe?

Es ist möglich, dass die Schwäne das Virus schon länger in sich trugen und dass die Krankheit erst jetzt bei den durch den Winter geschwächten Tieren ausgebrochen ist. Gegen diese These spricht aber, dass das Virus trotz intensiver Suche noch nie in einem äußerlich gesunden Wildvogel nachgewiesen wurde.

Ist es nicht trotzdem möglich, dass ein Vogel mit H5N1 infiziert ist, ohne selbst zu erkranken?

Das ist momentan die einzige Erklärung, wie sich die Schwäne angesteckt haben könnten.

Welche Vogelarten sind besonders anfällig für das Virus?

Jeder Vogel kann sich anstecken. Aus Versuchen wissen wir, dass Enten das Virus besser verkraften als Hühner. Wasservögel können sich aber leichter infizieren, weil das Virus in einer feuchten Umgebung länger überlebt.

Gibt es überhaupt genügend Laborkapazitäten, um alle toten Vögel zu untersuchen?

Im Augenblick sind die Kapazitäten vorhanden, weil die Vorbereitungen schon seit vergangenem Herbst laufen. Ob sie deutschlandweit ausreichen, wird sich zeigen. Der Schnelltest hilft jedoch, die Labore zu schonen, weil unnötige Untersuchungen vermieden werden.

Frankreich und die Niederlande wollen impfen. Die deutsche Geflügelindustrie lehnt das ab, weil nicht mehr zwischen infizierten und geimpften Tieren zu unterscheiden sei.

Die Kritik trifft auf die verfügbaren Impfstoffe zu. Es wird aber ein Marker-Impfstoff entwickelt, der es erlaubt, zwischen geimpften und infizierten Tieren zu unterscheiden. Es werden aber noch mindestens einige Monate vergehen, bis er verfügbar ist.