Das Mädchen von nebenan

Berlinale Star-Album (8 und Schluss): Franka Potente

VON SUSANNE LANG

Ihr bleibt wie allen anderen Namen auf dem Podium nur dieser eine Moment, um die Aufmerksamkeit der Pressefotografen auf sich zu ziehen. Sie lacht, am rechten Ohr baumelt eine Strähne der hellbraunen Haare, die sie an diesem Tag hochgesteckt trägt. Es steht ihr immer noch gut, dieses breite Lachen in ihrem glatten offenen Gesicht – an dem nur die kleine Fankamera nichts finden wird, um sich festzuhalten. Nach dem Klick blickt das nette Mädchen vom Bild zurück, das sofort sympathisch ist. Gerade deshalb ist Franka Potente seit elf Jahren eine sehr populäre Schauspielerin, beliebt, aber nicht verehrt. Sympathisch, aber nicht begehrt. Die beste Freundin, die nette kleine Schwester, aber keine Diva. Gerade das erwarten trotzdem viele immer noch von ihr.

Die Berlinale hatte gerade Luft geholt, als sie am Samstag, dem zweiten Festivaltag, neben all den anderen Größen des deutschen Mainstreamfilms auf dem Pressepodium saß, mitten in der Eichinger-Roehler-Bleibtreu-Ulmen-Hoss-Gedeck-Blase, als Darstellerin der blassen Annabelle, die an ihrer Jugendliebe fast zerbricht. Und doch stockte keinem so wirklich der Atem. Der so hoch gelobte, wieder erfolgreiche deutsche Film hatte mit „Elementarteilchen“ seinen ersten großen Auftritt, als sie wieder einmal ihren Platz suchen musste, die Franka Potente, mit der 1998 das „Wir filmen wieder wichtig“-Geschwafel begann. Die 1998 als grellrothaarige „Lola“ dem müden deutschen Film die lang ersehnten Beine machte und seinen Erfolg bis in die USA trug. Ihm schließlich nachfolgte und 2003 ein Jahr in den Staaten lebte. „Unsere Frau in Hollywood“ – die Geschichte schien perfekt. Bis Potente zurückkehrte, nur ein Jahr später, und prompt medienhämisch „einen Tritt in den Arsch“ verpasst bekam – „schon frech“, findet sie das, auch heute noch. Und nun?

„Dieses Brimborium, das die Medien machen – da denke ich nur, das hat mit mir doch gar nichts zu tun,“ sagt Franka Potente. Dienstagnachmittag. Das Festival hat Halbzeit, sie ihren Interviewtag. Sie sitzt in einer Hotelsuite. Auf einem Sofa. Beine angezogen. Entspannt. Trägt eine schwarze Strickjacke, eine weite schwarze Hose, raucht. „Diese Künstlichkeit mag ihre Berechtigung haben, aber es kostet mich unheimlich Kraft, diese Rolle auszufüllen.“ Die Schauspielerin, der vereinnahmbare Star – genau darauf hatte sie seit ihrer ersten Rolle „Nach fünf im Urwald“ keine große Lust: Das 17-jährige Mädchen, das aus der engen Kleinstadt abhaut, um in München ein Star zu werden, und doch wieder zurückgeht – die Parallele zu ihrer eigenen Karriere lässt sich immer noch gut ziehen. „Die Leute haben ein Bedürfnis zu labeln. Star, Hollywood – das ist eine Vereinfachung, mit der jeder etwas anfangen kann.“ Gerade deshalb sei es aber im Fall von „Elementarteilchen“, sei es „bei Oskar Roehler überraschend, dass alle Figuren etwas Authentisches, fast Hässliches“ hätten. „Wir treten nicht als Klischee eines Stars auf, der Film ist kein Klischee von Starkino“, betont Potente.

Filmfest und andere Schwierigkeiten, so lautet das Motto auch dieser Berlinale, und Potente sitzt wie so oft mitten an der Familientafel und weiß nicht so recht, warum Medien und Öffentlichkeit die Ansprüche gerade an sie stellen. Eigentlich gefreut hat sie sich auf ihren persönlichen Berlinale-Glanzpunkt, die Premiere ihres Regiedebüts „Der die Tollkirsche ausgräbt“ – ein 45-minütiger Stummfilm, der 1918 spielt und einen Punk aus dem Hier-und-Jetzt in die Vergangenheit beamt. Irrsinnig nervös sei sie gewesen, erzählt sie, „weil einem plötzlich bewusst wird, dass man wirklich für alle stramm stehen muss als Regisseurin“. Seither ist eine Partynacht vergangen, und Potente sieht ein wenig müde aus, nicht euphorisch, aber zufrieden. „Ich konnte den Applaus des Publikums gar nicht einschätzen, aber ich glaube, er war wohlwollend.“ Was auf die Kritiker nicht immer übertragbar ist. Manche lobten, viele zuckten die Achseln. Potente macht einen Stummfilm. Okay. „Bei meinem Film spürt man tatsächlich, dass er mit viel Liebe zum Detail gemacht ist und dass er etwas zu sagen hat“, meint sie dazu. „Weil ich das selbstbewusst sehe, würde ich auch Gemecker oder Lästereien nicht annehmen.“ Und nun?

Regisseurin oder Schauspielerin – Potente will sich bewusst nicht entscheiden. Sie fühle sich wohl mit ihrem „Zwitter“-Dasein. Sie hat neue Rollenangebote in internationalen Produktionen, im Herbst wird sie in Australien drehen, mit Eric Bana, seit längerem geplant ist eine Che-Guevara-Filmbiografie von Steven Soderbergh, in der sie die Guerillakämpferin Tamara Bunke spielen soll. Eine Idee für einen neuen eigenen Film habe sie auch schon. „Als Regisseurin kann ich gegenüber den Medien authentischer auftreten, das entspricht mir eher. Schauspieler haben auch oft etwas mit Oberfläche zu tun.“

In ihrem Fall trägt die populärste Oberfläche immer noch den Namen „Lola“, das Punkgirl, das wie aus einem Comic entsprungen auf der Leinwand durch Berlin rannte und seither die perfekte Projektionsfläche für so etwas wie Aufbruchsstimmung in der grauen Nachwendezeit verkörperte. Eine gute Oberfläche, um den Aufschwung des gesamten deutschen Films unter Regie von Tom Tykwer, mit dem sie damals liiert war, gleich mittragen zu sollen. Sie mag Lola trotzdem. „Mittlerweile habe ich auf sie eine Zuschauersicht, ich kann mich völlig distanzieren und sehe auch ein Mädchen mit roten Haaren, das rennt.“ Sie habe einen Platz gefunden in der deutschen Filmgeschichte und das „ist eigentlich sehr schön“. Und eigentlich, doch, gönnt man ihr das.