klassik, downloads etc.
: Kampf mit der Vergänglichkeit

Was haben die Plattenfirmen in jüngster Zeit nicht alles versucht, um den dramatischen Absatzschwund im Bereich der klassischen Musik zu stoppen! Ist etwa, seit der deutsche Nachwuchs nicht mehr unter Tränen ans Klavier oder zum Geigenunterricht geprügelt wird, auch die Einsicht in die masochistischen Dimensionen der Hochkultur geschwunden? Plötzlich mussten jedenfalls alle jungen Solistenstars auf ihrem Plattencover mit frischen Punk- und sonstigen Föhnfrisuren gegen das Streberimage ihrer Zunft posieren. Als ginge es nur noch darum, den Spruch „Rock me, Amadeus“ nachzustellen.

Andere Wege gehen jetzt die New Yorker Philharmoniker. Um den Verkauf von Tonkonserven wieder anzukurbeln, will das Orchester seine Aufnahmen künftig auch auf der Internet-Platform iTunes zum Download anbieten. Tatsächlich könnte sich der Wechsel des Mediums als wirksames Mittel gegen den Konsumentenstreik erweisen. Denn das Medium ist die eigentliche Botschaft, wie schon der kanadische Kommunikationswissenschaftler Marshall McLuhan erkannt hat. Und die Botschaft der Klassik ist ihre Unvergänglichkeit. Jahrzehntelang haben die Plattenfirmen ihre Aufnahmen als „zeitlos gültige Interpretationen auf höchstem technischem Niveau“ vermarktet und kommerzielle Fragen dabei vornehm verschwiegen.

Ein Neukauf des zeitlosen Repertoires kam für Klassikfreunde daher immer nur bei technischem Fortschritt in Frage. Mit der Erfindung der CD ließ sich jene Kunstpause vermeiden, die das für Vinylplatten viel zu lange Adagio molto e cantabile aus Beethovens Neunter immer in der Auslaufrille der A-Seite einlegen musste. Bei der geschätzten Haltbarkeit des Mediums kann sich die zeitlose Gültigkeit einer Interpretation nun locker bis auf fünfzig Jahre ausdehnen.

Ein Leben lang könnte man damit glücklich sein – wäre es nur nicht so, dass die Musik mit der Unvergänglichkeit des Mediums zugleich die Aura ihrer Vergänglichkeit verloren hätte. Doch wenn das Beispiel der New Yorker Philharmoniker Schule macht, ist auch dieses Problem bald gelöst, denn beim heutigen Stand der Technik dürften sich die auf heimischen Datenträgern gespeicherten oder gebrannten Downloads schon nach wenigen Jahren wieder ins elektronische Nirwana verabschieden.

JAN-HENDRIK WULF