Der Chef liest die Leviten

Oskar Lafontaine ruft WASG und Linkspartei zu Geschlossenheit auf. Vergeblich: Eine Woche vor der Urabstimmung haben sich die meisten WASG-Mitglieder entschieden. Sie sind gegen die Fusion

VON FELIX LEE

Es gibt Auftritte, die sind schon gelaufen, bevor sie überhaupt richtig begonnen haben. So auch am Montagabend. Der Bundesvorstand der WASG hatte den Vorsitzenden der Links-Fraktion im Bundestag, Oskar Lafontaine, ins IG-Metall-Haus am Halleschen Tor geladen. Man hoffte, mit einem so prominenten Aushängeschild den widerspenstigen Landesverband zu bändigen. Doch schon als Lafontaine den Saal betrat und der Applaus nur mäßig ausfiel, war klar, wo die große Mehrheit der 300 anwesenden WASG-Mitglieder steht: auf Seiten der Gegner einer Fusion.

Eine knappe Woche vor Beginn der Urabstimmung zeichnet sich immer stärker ab, dass eine große Mehrheit der Berliner WASG-Mitglieder sich auf die Seite des Landesvorstands schlägt und gegen eine gemeinsame Kandidatur mit der Linkspartei.PDS bei den Abgeordnetenhauswahlen im September stimmen wird.

„Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem, was die Linkspartei propagiert, und dem, was die PDS in Berlin tut“, rief Lucy Redler im Namen des geschäftsführenden Landesvorstands den Anwesenden zu. Sie forderte die Linkspartei dazu auf, den Senat zu verlassen. Da damit aber nicht zu rechnen sei, müsse man eben getrennt antreten. Lafontaines Aufruf zur Geschlossenheit erteilte sie eine Absage. Da tobte der Saal vor Begeisterung.

Zuvor hatte Lafontaine in einem 20-minütigen Appell für eine gemeinsame Kandidatur bei den Abgeordnetenhauswahlen im September geworben. „Ich lade alle ein, Mehrheiten zu erkämpfen für eine Politik einer neuen Linken.“

Zwar habe die WASG in Berlin zu Recht Kritik an der Politik des Senats geübt, so der ehemalige SPD-Vorsitzende. Aber die WASG müsse auch Verständnis aufbringen. Die einstige PDS habe eben oft nur auf Vorgaben aus der Bundespolitik reagiert. Für eine neue Linke sehe er keine andere Möglichkeit, als sie aus Linkspartei und WASG zu bilden, sagte Lafontaine. Unterstützung bekam er vom WASG-Bundesvorstandsmitglied Christine Buchholz: „Es geht nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie einer Linkspartei.“

Zur Besänftigung der Anwesenden schlug Lafontaine vor, ein Programm auszuarbeiten, das vor allem zur Privatisierungspolitik klar Stellung bezieht. Eine neue Linke müsse antikapitalistisch und antineoliberal sein. An die Linkspartei gerichtet wiederholte er seine Aussage der vergangenen Woche: „Wer neoliberalen Inhalten nachgeben will, kann dies tun, muss sich aber fragen, ob er nicht besser in einer anderen Partei aufgehoben ist.“