Umweltsünder haben Kredit

Die Weltbank weicht ihre ethischen Richtlinien für die Finanzierung von Großprojekten auf. Weltweit drohen negative ökologische und soziale Folgen

BERLIN taz ■ Augen zu und durch: So könnte künftig das Motto der Weltbank bei der Finanzierung von heiklen Großprojekten in Entwicklungsländern lauten. Möglich machen das die neuen Umwelt- und Sozialstandards, die die Weltbanktochter IFC am Dienstagabend verabschiedet hat. Sie sehen eine Schwächung vieler Ethikstandards der Weltbank vor, die bisher für Kredite zum Bau von Fabriken, Kraftwerken und Staudämmen maßgeblich waren.

Die Bundesregierung hat der Novelle der Standards zugestimmt, von der jährlich Projekte im Gesamtwert von 140 Milliarden US-Dollar betroffen sind.

Die gravierendste Änderung bei der Neuauflage der Ethikstandards der Weltbank: Nur noch in Ausnahmefällen werden die bei Großprojekten üblichen Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen (USVP) von unabhängigen Experten durchgeführt. In der Regel können Unternehmen diese künftig in Eigenregie abwickeln. Bisher wurden mit Hilfe unabhängiger USVP die Auswirkungen der Umweltzerstörung und Umsiedlungen genau überwacht, um die negativen Folgen zu minimieren. „Dieses Instrument wird mit der neuen Regelung de facto abgeschafft“, kritisiert Knud Vöcking von der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald. „Nun kann sich jeder Bergbaukonzern selbst attestieren, dass Goldabbau mit Zyanid notwendig ist oder dass Naturreservate unter den Bagger geraten müssen.“ Das Entwicklungsministerium (BMZ) hält dagegen, dass zumindest die Projektauswirkungen von unabhängigen Experten überwacht würden. Außerdem spielten Arbeitnehmerrechte in den neuen Standards eine größere Rolle als bisher.

Unter den neuen Weltbankstandards könnten auch die Eigentumsrechte der Bevölkerung leiden. Wurden Menschen, die von erzwungenen Umsiedlungen betroffen waren, bisher für den Verlust ihres Landes entschädigt, müssen sie in Zukunft juristisch nachweisen, dass sie Eigentümer des Landes sind. Doch ein solcher Nachweis dürfte oft unmöglich sein – in vielen Ländern wie etwa in Nigeria besitzt die Bevölkerung keine schriftlichen Eigentumstitel. Immerhin sollten Betroffene nicht schlechter gestellt werden – ein solcher Passus werde in die Standards noch eingefügt, teilte das BMZ auf taz-Anfrage mit.

Totgesagten Projekten wird durch die gelockerten Weltbank-Standards neues Leben eingehaucht. Aktuelles Beispiel aus deutscher Sicht: der Ilisu-Staudamm im Südosten der Türkei. Er soll den Tigris kurz vor der Grenze zu Syrien und Irak aufstauen und wird seit Jahren wegen massiver Umweltgefahren kritisiert.

Gestern berieten in Hamburg Vertreter deutscher, österreichischer und Schweizer Exportkreditagenturen über staatliche Bürgschaften zur Finanzierung des Projekts. „Wir wollen 550 Millionen Euro der gesamten Investition von 1,2 Milliarden Euro über Exportkreditgarantien absichern“, sagte Alexander Schwab vom österreichischen Konsortialführers VA Tech Hydro der taz. Heike Drillisch von der Entwicklungsorganisation Weed warnt vor einer Genehmigung der Bürgschaften: „An den dramatischen Folgen des Staudamms für die Bevölkerung hat sich bis heute nichts geändert. Die Umsiedlung von 79.000 Menschen ist ebenso ungeklärt wie die ökologischen Folgen.“

Thomas Wohlwill von der für die Bürgschaft zuständigen Euler Hermes Kreditversicherungs AG versucht zu beschwichtigen: „Für die Erteilung der Exportgarantien ist die Einhaltung der Weltbank-Standards sehr maßgeblich. Deutsche Arbeitsplätze spielen in der Abwägung aber auch eine Rolle.“ VA Tech Hydro erwartet, dass die Finanzierung bis April steht. Der Bau soll noch in diesem Jahr beginnen. Mit der Entscheidung der Weltbank scheint das nicht mehr unmöglich. TARIK AHMIA