Silberne Bären in Haft

Auf dem Rückweg von der Berlinale wurden die beiden Hauptdarsteller aus dem Film „The Road To Guantanamo“ in London verhaftet – und mit ihnen die Männer, deren Schicksal der Film behandelt

aus DUBLIN RALF SOTSCHEK

Ein Silberner Bär ist keine Entschuldigung. Auf dem Rückweg von der Berlinale, auf der sie den zweiten Preis mit dem Film „The Road To Guantanamo“ gewonnen hatten, wurden die beiden Schauspieler Rizwan Ahmed und Farhad Harun vorige Woche auf dem Londoner Flughafen Luton verhaftet – und mit ihnen die beiden Männer, die sie in dem Film darstellen. Ahmed und Harun wurden zunächst an der Gepäckausgabe vom Verfassungsschutz angesprochen. Als sie nach dem Grund fragten, sperrte man sie in einen kleinen Raum. Ein Beamter nahm Ahmed die Brieftasche ab und notierte sich Adressen sowie die Details der Kontoauszüge, die er bei sich hatte. Als er nach einem Anwalt verlangte, erklärte man Ahmed, dass er 48 Stunden isoliert festgehalten werden dürfe.

Am schlimmsten sei eine Beamtin gewesen, sagt Ahmed, die wissen wollte, ob er vorhabe, weitere Dokumentarfilme zu machen, insbesondere politische wie den Guantánamo-Film. „Sind Sie Schauspieler geworden“, fragte sie, „um solche Filme zu machen, um den Kampf der Muslime zu unterstützen?“ Als die Beamtin den Raum verließ, rief Ahmed von seinem Handy aus einen Anwalt an. Ein Polizist riss ihm daraufhin das Telefon aus der Hand, beschimpfte ihn als „Fucker“ und notierte alle Nummern, die in seinem Handy gespeichert waren. Keiner der Beamten rückte mit seinem Namen heraus. Erst als ein auf Menschenrechtsfälle spezialisierter Anwalt zurückrief, ließ man die beiden Schauspieler frei.

Ihre Mithäftlinge, Schafik Rasul und Rhuhel Ahmed, zwei der „Tipton Three“, um die es in Michael Winterbottoms Film geht, wurden ebenfalls freigelassen. Die „Tipton Three“, drei junge Engländer, waren 2001 nach Afghanistan gereist, um bei einer humanitären Hilfsorganisation mitzuarbeiten, wurden von Truppen der Nordallianz festgenommen und schließlich an die USA ausgeliefert.

In Guantánamo wurden sie geschlagen und getreten, man hat ihnen Drogen injiziert und Tüten über den Kopf gezogen, sie nackt fotografiert und sexuell misshandelt sowie durch Schlafentzug gefoltert. Am Ende unterschrieben sie Geständnisse: Sie gaben zu, auf einem Video aus dem Jahr 2000 neben Ussama Bin Laden und dem Attentäter vom World Trade Center, Mohammed Atta, zu sehen zu sein. In Wirklichkeit hatten alle drei für die Zeit, als das Video aufgenommen wurde, einwandfreie Alibis. Einer arbeitete in England in einem Elektrogeschäft, die anderen beiden saßen in britischen Gefängnissen.

„Ihre Verhaftung in Luton mag eine Farce sein, aber es ist eine hässliche Farce“, sagte Clive Stafford Smith, der juristische Experte der Menschenrechtsorganisation Reprieve. „Erst schikaniert der Verfassungsschutz zwei unschuldige Männer, die zwei Jahre lang in Guantanamo Bay gelitten haben, bis man sie ohne Anklage freiließ. Als ob das nicht schlimm genug sei, nimmt der Verfassungsschutz dann auch noch die beiden Schauspieler fest, die sie in dem Film dargestellt haben. Es ist aufschlussreich, dass die Festnahmen erfolgten, nachdem die Regierung am Tag zuvor die Verherrlichung des Terrorismus zum Verbrechen gemacht hat. Wer ist der Nächste? Wird Ken Stott nun verhaftet, weil er den größten Terroristen aller Zeiten, Adolf Hitler, in einem Film dargestellt hat? Der Fall zeigt, wie weit die britische mit der US-Regierung bei der Missachtung von Menschenrechten übereinstimmt.“

Reprieve fordert eine Untersuchung des Falls. „Aber bloß keine polizeiliche Untersuchung“, sagte Stafford Smith: „Das wäre, als ob man den Fuchs zur Bewachung des Hühnerstalls bestellt. Wir haben kein Interesse daran, dass Leute gefeuert werden, aber wir wollen, dass unkluge Gesetze geändert werden.“