Frauen bei Einkommen abgehängt

Statt zurückzugehen, vergrößern sich die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sogar wieder. Deutschland nach EU-Bericht auf einem der letzten Plätze in Europa

BERLIN taz ■ Der Abstand zwischen dem Verdienst von Frauen und Männern hat sich in Deutschland entgegen dem europäischen Trend weiter vergrößert. Nach dem aktuellen Gleichstellungsbericht, den die Brüsseler EU-Kommission jetzt veröffentlichte, erhielten Männer im Jahr 2004 pro Arbeitsstunde durchschnittlich 23 Prozent mehr Geld als Frauen. Fünf Jahre zuvor hatte der Unterschied nur 19 Prozent betragen.

Damit nimmt Deutschland erneut auf einem wichtigen Politikfeld einen der letzten Plätze in Europa ein. Um statistische Effekte bereinigt, hat sich die Einkommenskluft in 17 von 25 Mitgliedsstaaten verringert, in drei Ländern ist sie gleich geblieben. Einen Rückschritt in der Gleichstellungspolitik haben neben Deutschland lediglich Frankreich, Belgien, Portugal und die Slowakei zu verzeichnen. Ähnlich drastisch wie in Deutschland fiel der Einbruch nur in Portugal aus, wo die Krise auf dem Arbeitsmarkt ebenfalls besonders ausgeprägt ist.

Die Brüsseler Kommission bezeichnet den Einkommensabstand von EU-weit durchschnittlich 15 Prozent in ihrem Bericht als „nach wie vor unannehmbar hoch“. Als Ursache wird insbesondere die „Nichteinhaltung der Rechtsvorschriften zur Gleichheit des Arbeitsentgelts“ genannt. Weitere Faktoren seien „strukturelle Ungleichheiten“ wie ein beschränkter Zugang von Frauen zu Angeboten der Aus- und Weiterbildung oder geschlechtsspezifische Stereotype.

Kritisch betrachten die Experten auch, dass in Deutschland 45 Prozent aller erwerbstätigen Frauen nur Teilzeit arbeiten. Das ist ein höherer Anteil als in jedem anderen EU-Land mit Ausnahme der Niederlande, wo anders als hierzulande allerdings auch Männer das Angebot von Teilzeitarbeit annehmen. Dieser hohe Anteil belegt nach Ansicht der Autoren die Schwierigkeiten, die sich Frauen „bei der Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben stellen“.

Damit findet sich die Bundesrepublik erneut im Zentrum internationaler Kritik, was die Verwirklichung von Chancengleichheit für alle Bürgerinnen und Bürger betrifft. Zuletzt hatten die Vereinten Nationen den costa-ricanischen Rechtsprofessor Vernor Muñoz Villalobos als Berichterstatter nach Deutschland entsandt, um die Verwirklichung des Menschenrechts auf Bildung zu überprüfen. Auf seiner abschließenden Pressekonferenz in der vergangenen Woche übte der Ermittler harsche Kritik an den Zuständen des deutschen Erziehungssystems. Auch hat die Europäische Union wiederholt die Umsetzung ihrer Antidiskriminierungsrichtlinie in nationales deutsches Recht angemahnt. Den Schritt hätte die Bundesrepublik bis spätestens 2003 vollziehen müssen, wegen eines anhaltenden Parteienstreits um das Gesetz ist es dazu aber bislang nicht gekommen. RAB