Das Aufregerthema ist längst keines mehr

Deutschlehrer sehen die Windungen und Wendungen der Rechtschreibreform im Schulalltag gelassen

„Die Rechtschreibdebatte ist in den Schulen längst vorbei. Nur das Feuilleton kämpft noch“

BERLIN taz ■ Lehrer wie Christine Müller winken ab, wenn sie nach Rechtschreibreform gefragt werden. „Diese Diskussion ist in den Schulen lange vorbei“, berichtet die Deutschlehrerin aus Gelsenkirchen, „nur das Feuilleton kämpft noch.“

Kein Wunder, dass für die 37-jährige Pädagogin das angebliche Aufregerthema längst keines mehr ist. Den letzten Abijahrgang, den sie selbst von alter auf neue Rechtschreibung umlernen musste, hat sie vor zwei Jahren verabschiedet. Im schulischen Alltag an ihrem Leibniz-Gymnasium spielt Rechtschreibung ohnehin eine untergeordnete Rolle. „Diktate sind zur Leistungsüberprüfung nicht mehr zulässig“, sagt sie, „uns ist kommunikative Kompetenz wichtiger, als Schreibfehler zu kontrollieren.“

Die gestern übergebenen Änderung der Änderung der alten Rechtschreibung dürfte die eingekehrte Ruhe an Deutschlands Schulen nicht stören. „Am Ende der Woche wird auch bei den Kultusministern Frieden herrschen“, prophezeit Rudolf Hoberg, Linguist in Darmstadt und Präsident der Gesellschaft für die Deutsche Sprache. Denn dann werden auch die Zögerer, Bayern und Nordrhein-Westfalen, die Rechtschreibung voll unterzeichnen. Auch für diese beiden Länder endet dann endgültig die Übergangsfrist, in der Alt- und Neuschreib nebeneinander stehen konnten – ohne im Unterricht als Fehler rot markiert und bewertet zu werden.

Professor Hoberg gehörte dem Rechtschreibrat an, der gestern seine Änderungsvorschläge an die Kultusministerkonferenz zwecks finaler Beschlussfassung überreichte. Hoberg verweist gern darauf, dass die Rechtschreibreform nur 2 Prozent des Wortschatzes betraf – wobei acht von zehn Neuerungen auf das Konto der Doppel-s/scharfes-ß-Frage gegangen sei. Der Schreibrat hat nun aber beim Getrennt- und Zusammenschreiben die Reform deutlich korrigiert.

Mancher Lehrer ist darüber froh. Denn gerade die Trennungen in der deutschen Spezialdisziplin der Bandwurmwörter hatte den Schülern Probleme bereitet. Wenn die Lehrer erst einmal sehen, welch re-reformiertes Trennwerk nun auf sie zukommt, werden sie ihr frohes Urteil womöglich wieder zurücknehmen.

CHRISTIAN FÜLLER