Die meisten Jobs bleiben in Deutschland

AEG ist kein Einzelfall: Rund 380.000 Stellen haben deutsche Firmen in den EU-Staaten in Osteuropa geschaffen.Doch umgekehrt investieren Ausländer auch sehr gern in Deutschland – nur die USA sind als Standort noch beliebter

BERLIN taz ■ Mit AEG lässt sich Stimmung machen. Das hat auch CSU-Chef Edmund Stoiber gestern beim Politischen Aschermittwoch genutzt: „Wir wollen keinen kalten Kapitalismus durch die Globalisierung!“, rief er seiner Partei in Passau zu. Der schwedische Konzern Electrolux wird 1.750 AEG-Arbeitsplätze von Nürnberg nach Italien und Polen verlagern (siehe Kasten). Stoiber: „Wir werfen unsere sozialen Standards und Traditionen nicht einfach über Bord.“

Wie berechtigt ist diese Sorge, dass immer mehr Stellen ins Ausland verlagert werden? Seit Beginn der 90er-Jahre schufen deutsche Firmen 380.000 Arbeitsplätze in den neuen EU-Mitgliedstaaten, hat ein Arbeitspapier des Osteuropa-Instituts München (OEI) ermittelt. Mit der gleichen Investitionssumme hätten sich in Deutschland allerdings nur 70.000 Stellen schaffen lassen – weil hier die Kapitalkosten pro Arbeitsplatz deutlich höher sind. Und sowieso sei einzukalkulieren: Durch die Verlagerungen ins Ausland blieben auch Arbeitsplätze im Inland erhalten, die sonst zu teuer geworden wären.

„Stellen werden vor allem in Branchen gestrichen, die geringerwertige Produkte herstellen und die besonders unter dem Druck der Importkonkurrenz stehen“, so Gunter Schall vom Bund der deutschen Industrie (BDI) gegenüber der taz. Da die Verbraucher gerade in Deutschland zuerst auf den Preis schauen, lassen sich im Inland gefertigte Low-Tech-Produkte oft nur noch mit Verlusten verkaufen. Prominent ist mittlerweile das Beispiel der AEG-Waschmaschine aus Nürnberg: Electrolux gibt an, dass sie mit jedem Gerät aus Deutschland einen Verlust von 60 Euro macht. In Osteuropa hingegen sind die Lohnstückkosten 70 Prozent geringer, hat die Investmentbank Goldman Sachs ermittelt. Doch prognostiziert das OEI, dass dieser Abstand künftig kleiner wird, weil die Löhne in Ländern wie Tschechien und Polen steigen.

Die Standortwahl hängt aber nicht nur von den Löhnen ab. „Gerade forschungsintensive und spezialisierte Industriezweige wie die Chemiebranche finden in Deutschland sehr gute Voraussetzungen, die im Ausland erst teuer hergestellt werden müssen“, sagt Schall. Dazu gehörten eine gute Infrastruktur, die enge räumliche Vernetzung mit Zulieferbetrieben, die Rechtssicherheit sowie die Universitäten und Hochschulen. „Daher rechnet es sich häufig nicht, Arbeitsplätze in Billiglohnländer zu verlagern.“ Auch ausländische Firmen schätzen Deutschland. Sie investierten 2004 in der Bundesrepublik 36,1 Milliarden Euro. Damit liegt Deutschland bei den ausländischen Direktinvestitionen nach den USA auf Platz zwei. Das OEI prognostiziert: „Während schlecht qualifizierte Arbeitskräfte eher verlieren, können die Löhne gut ausgebildeter Inländer sogar steigen.“

BERNHARD ROHKEMPER