Preußen ohne Hauptstadt

Nach einem Schreiben von Abgeordnetenhauspräsident Momper an seinen Brandenburger Kollegen Fritsch ist die Frage nach der Hauptstadt eines gemeinsamen Bundeslandes wieder voll entbrannt

von UWE RADA

Nach Brandenburg tritt nun auch Berlin auf die Fusionsbremse. In einem Brief an seinen Potsdamer Kollegen Gunter Fritsch hat Berlins Abgeordnetenhauspräsident Walter Momper (beide SPD) Potsdam als Sitz eines gemeinsamen Landesparlaments infrage gestellt. Zugleich betonte Momper, dass im Abgeordnetenhaus in Berlin genügend Platz für die 150 Parlamentarier eines gemeinsamen Landes wäre – ohne dass dafür ein nennenswerter finanzieller Aufwand betrieben werden müsste.

„Überrascht“ vom Vorstoß seines Berliner Kollegen zeigte sich gestern Potsdams Parlamentspräsident Gunter Fritsch. Damit werde die Akzeptanz der Fusion durch die Menschen nicht erhöht. Ähnlich äußerte sich auch CDU-Generalsekretär Sven Petke: „Für Brandenburg steht fest, dass Potsdam die Hauptstadt des gemeinsamen Landes werden muss.“ Damit sei verbunden, dass Potsdam Sitz des Landesparlaments und der Landesregierung werde. „Die Länderfusion ist sonst im Land nicht vermittelbar“, warnte Petke.

Bereits im ersten Fusionsanlauf von Berlin und Brandenburg war Potsdam als gemeinsamer Parlaments- und Regierungssitz vorgesehen. Eine entsprechende Vereinbarung hatten der damalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) und Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) in einem Staatsvertrag unterzeichnet.

Auch nachdem der Staatsvertrag 1996 in einem Referendum an den Brandenburgern gescheitert war, hielt Potsdam an der Planung für einen gemeinsamen Parlamentssitz fest. Dieser soll sich nach dem Willen der Brandenburger Landesregierung im Potsdamer Stadtschloss befinden. Erst vor zwei Wochen hatte eine Studie ergeben, dass der Wiederaufbau des Stadtschlosses als Landtagsneubau im vorgegebenen Kostenrahmen von 83,5 Millionen Euro möglich sei.

Mompers Vorstoß gegen ein gemeinsames Bundesland mit Parlamentssitz Potsdam wurde gestern auch von der Berliner CDU unterstützt. Für den CDU-Spitzenkandidaten Friedbert Pflüger kommt auch Berlin als gemeinsamer Regierungs- und Parlamentssitz eines vereinten Bundeslandes infrage. „Was Herr Momper gesagt hat, ist auch meine Meinung und die der Berliner CDU“, so Pflüger. Im Falle einer Fusion müsse der Staatsvertrag neu ausgehandelt werden. Ganz anders sehen das die Grünen: Sie kritisierten den Vorstoß Mompers als „kontraproduktiv“. Beide Länder sollten alles tun, damit die Bereitschaft zur Fusion in der Region wachse, sagten die Fraktionschefs Sibyll Klotz und Volker Ratzmann.

Die Berliner Sozialdemokraten versuchen unterdessen, den Konflikt herunterzuspielen. Man solle sich davor hüten, „einen Popanz aufzubauen“, sagte Fraktionschef Michael Müller an die Adresse der Brandenburger. Der Brief Mompers sei eine „Zustandsbeschreibung“ und ein „Angebot“, die Frage des Parlamentssitzes aber müsse politisch entschieden werden. Notwendig sei dazu ein Bekenntnis beider Seiten zur Fusion, betonte Müller in Anspielung auf die Zurückhaltung des Landes Brandenburg. Linkspartei-Fraktionschef Stefan Liebich warnte davor, die Äußerungen Mompers überzubewerten. Allerdings täte Berlin gut daran, sich in Details „nicht vorschnell festzulegen“.

Ein Kompromissvorschlag kam indessen von der Berliner FDP. Fraktionschef Martin Lindner schlug vor, Parlaments- und Regierungssitz zu teilen. So solle das Parlament künftig in Berlin, die Regierung aber in Potsdam tagen. Der Name des Bundeslandes sollte dann Brandenburg sein.

Aber auch da sind noch nicht alle Messen gesungen. Für die Junge Union steht nämlich fest: Sollte die Fusion zustande kommen, kann es für das gemeinsame Bundesland nur einen Namen geben – Preußen.