Pädagogik, die nicht kapituliert

Schulen und Kitas in sozialen Brennpunkten können exzellente Arbeit leisten – durch besondere Konzepte oder Elternarbeit. Wie das aussieht, zeigt eine Studie über „pädagogische Leuchttürme“

VON ALKE WIERTH

„Schreiben Sie das auf, Frau Engin: Wir gehen gerne in die Schule!“ Das haben ihr die Kinder an einer Weddinger Grundschule versichert. Havva Engin ist immer noch begeistert, wenn sie von ihren Touren durch Berliner Schulen und Kitas erzählt.

Im Auftrag des Berliner Integrationsbeauftragten Günter Piening hat sich die Erziehungswissenschaftlerin, Studienrätin und Expertin für interkulturelles Lernen gemeinsam mit ihrem Kollegen Sven Walter auf die Suche nach guter Pädagogik gemacht. Nicht in bildungsbürgerlichen Vororten, sondern in sozialen Brennpunkten: Wedding, Moabit, Neukölln, Kreuzberg.

Was die beiden gefunden haben, nennt Günter Piening „Leuchttürme der Pädagogik“: Einrichtungen, die unter schwierigsten Bedingungen erfolgreich Bildung und Erziehung betreiben. Sie sollen anderen Schulen und Kitas als Vorbilder dienen, wünscht sich der Integrationsbeauftragte. Er hat den Bericht der WissenschaftlerInnen deshalb als Broschüre herausgegeben.

Die Probleme liegen auf der Hand: Bis zu 95 Prozent Kinder nichtdeutscher Erstsprache, hohe Arbeitslosigkeit bei den Eltern, Armut, beengte Wohnverhältnisse und Quartiere, die gegen Verwahrlosung kämpfen – viele Schulen und Kitas haben davor kapituliert. Sie schaffen es nicht mehr, ihren Kindern ausreichend Wissen oder gar Freude am Lernen zu vermitteln. Dass es auch anders geht, beweisen Schulen wie die Regenbogen-Grundschule im Neuköllner Rollbergviertel und Kitas wie die Ina-Kita im Wedding.

An der Schule heißt das Zauberwort Kunst: Mit Kindern, von denen 75 Prozent aus Zuwandererfamilien stammen und die in einer von Armut und auch Kriminalität geprägten Umgebung aufwachsen, arbeiten internationale Künstler, die LehrerInnen besuchen mit den Klassen Ausstellungen und Museen.

„Um das zu schaffen, müssen LehrerInnen viel über das Leben ihrer Kinder wissen“, sagt Havva Engin. Denn ein gutes Konzept alleine reicht nicht: Intensive Elternarbeit ist eine der Voraussetzungen, mit denen Schulen und Kitas in Problemkiezen erfolgreiche Pädagogik betreiben können. Und eine gute Vernetzung mit der Umgebung: Fast alle der von den Experten vorgestellten Einrichtungen kooperieren mit Quartiersmanagern, Migrantenvereinen oder sozialen Einrichtungen in ihrer Umgebung.

„Dass das geht, beruht auf dem überdurchschnittlichen Engagement der MitarbeiterInnen“, sagt Havva Engin. Sie wünscht sich darum, genau wie Piening, mehr Anerkennung für diese Leistungen. Die Broschüre soll ein Anfang sein. Denn, so Günter Piening: „Es ist falsch, immer nur zu fragen, wer die größten Probleme hat. Besser ist, nach den richtigen Lösungen zu fragen.“