Bundesliga-Bingo

Bremen hat 1:1 in Leverkusen gespielt und Exmanager Reiner Calmund auf Risiko. Das wird nun zum Problem

LEVERKUSEN taz ■ Werder Bremens Verantwortliche wollten nicht zu laut klagen. Aber es ärgerte sie, welche Chance sie beim 1:1 vertan hatten, nämlich dem FC Bayern näher zu rücken. Manager Klaus Allofs war „in der Mitte zwischen zufrieden und sehr sehr enttäuscht“, Tendenz Frust. Torwart Tim Wiese hatte „eine gefühlte Pleite“ erlebt. Und Torsten Frings erinnerte an seine eigene Maxime: „Wenn die Bayern mal patzen, müssen wir da sein.“ Waren sie aber nicht.

Trainer Thomas Schaaf fand immerhin: „Wir haben nicht völlig versagt.“ Und dachte schon an den Dienstag: „Das wird ein völlig neues Ding.“ Dienstag ist Werders Spiel der Spiele – in der Champions League bei Juventus Turin (Hinspiel 3:2). Die Leverkusener grämten sich ähnlich über das Remis, immerhin aber habe sich, so Trainer Michael Skibbe „der Trend verfestigt“, und der zeigt seit Wochen nach oben, Richtung Uefa-Cup.

Woanders bei Leverkusen geht der Trend steil bergab: beim Glauben an Seriosität. Bayer musste am Samstag Pressemeldungen bestätigen, dass die überraschende Trennung von Manager Reiner Calmund im Sommer 2004 wegen dubioser Zahlungen in Höhe von 580.000 Euro an einen Spielerberater erfolgt war. Das bar bei der Sparkasse abgehobene Geld habe als „Provision für Optionen“ für neue Spieler gedient. Die Kicker kamen nie, das Geld ist „irgendwo versickert“, wie Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser zugeben musste. Seltsamerweise unternahm Bayer keine Anstrengungen, das Geld wieder einzutreiben. Belege fehlen. Und die Staatsanwaltschaft ermittelt. Calmund wies schon mal alle Anschuldigungen von sich: „Man möchte mich demontieren.“

Das Spiel war ein sehr deutscher Nachmittag gewesen. Zum Beispiel war da ein Kartoffelacker von Spielfeld. „Nicht unbedingt der Traumrasen“, spaßte Thomas Schaaf über den Boden, der auch gut in eines der wachstumshemmenden WM-Stadien gepasst hätte. Naturverbundener urteilte Kollege Skibbe: „Der lange Winter nimmt sich vom Platz, was er braucht.“ Da waren auch 45 Minuten lang wunderbar fahrlässige Abwehrrecken zu bewundern, als spiele hier Deutschland gegen Deutschland. In der zweiten Halbzeit wirkten die überhasteten Angriffsbemühungen so stümpern, als spiele Calmund mit sich selbst Provisionenbingo. „Ohne Souveränität und Klarheit“, befand Schaaf. Skibbe erkannte auf allseits „hektischen Rhythmus“.

Die Melodien dazu kamen von Schiedsrichter Norbert Fandel, jenseits des Pfeifendaseins Konzertpianist und Leiter der Musikschule in Bitburg. Er hatte das Match kleinlich in seine Akkorde zerlegt. Werders frühem Führungstor durch gefringsten Foulelfmeter (3. Minute, Juan an Klose) folgte Berbatows Ausgleich (41.), bei dem die Fandelmannschaft eine Abseitsstellung übersehen hatte.

Dienstag wissen alle mehr, auch von Reiner Calmund, der sich derzeit in den USA aufhält. Dann will er mitteilen, warum er nichts an dem Optionendeal verdient hat: „Ich werde mich wehren.“ Der runde Mann und Holzhäuser bezichtigen sich gegenseitig der Unwahrheit, wer wann was gewusst hat. Calmunds Anwälte setzen Ehrenerklärungen auf, Holzhäuser gab eine für den Fußball als solchen ab: „95 Prozent aller Transaktionen laufen sauber.“

Eine kühne Zahl in der Branche „zwischen Rotlichtmilieu und Gebrauchtwagenhändlern“ (Fußballfachmann Joschka Fischer). Holzhäuser ist übrigens auch Vizepräsident des Ligaverbands. Und Fußballfolklorist Calmund, auch das ein sehr deutscher Aspekt in diesen Tagen, offizieller WM-Botschafter. Somit passt sein Geschäftsgebaren, ob der „ganz verdiente Mann“ (Ehrenerklärer Skibbe) nun persönlich mitverdient hat oder nicht, bestens zum Geldvermehrungsspektakel Fifa-Fußball-WM 2006[TM].

BERND MÜLLENDER