Ein Gangster aus den Townships

Südafrikas Filmindustrie findet ihre eigene Stimme. Das honoriert der Oscar für „Tsotsi“

JOHANNESBURG taz ■ Die Oscar-Verleihung für „Tsotsi“ löste in Südafrika geradezu einen Sturm des Jubels aus. Der Film, der in der Schwarzensiedlung Soweto gedreht wurde und die Geschichte eines jungen Gangsters – eines „Tsotsi“ mit Township-Slang – erzählt, erhielt den Preis für den besten Film in ausländischer Sprache, der erstmals nach Südafrika geht.

Der 21-jährige „Tsotsi“-Hauptdarsteller Presley Chweneyagae überzeugt in seinem Filmdebüt als harter Killer, der im Innersten seines Herzens gebrochen ist und mit dem Überleben in Armut und Einsamkeit kämpft. Seine Emotionen überkommen ihn nach einem Auto-Hijacking in einem reichen Vorort von Johannesburg: Er schießt die schwarze Besitzerin nieder und findet ihr Baby auf dem Rücksitz, um das er sich kümmert – eine Erinnerung an seine eigene Kindheit und die Liebe, die er nie spürte.

Für die südafrikanische Filmindustrie bedeutet der Oscar die Anerkennung für ihre Weltklasse-Qualität. Nach den Jahren der Isolation entstand in Südafrika in jüngster Zeit eine Reihe preisgekrönter Filme wie zum Beispiel „Yesterday“ (Oscar-Nominierung 2004) und „Drum“ (Panafrikanischer Filmpreis) sowie „Carmen in Khayelitsha“ (Goldener Bär). Es handelt sich um eine kleine Filmindustrie, die mit wenig finanzieller Unterstützung gerade beginnt ihre Stimme zu finden.

Obwohl Südafrika immer noch kämpfe, gesellschaftliche Ungleichheit zu überwinden, seien Südafrikaner stolz, den Übergang von Apartheid in die Demokratie ohne Blutvergießen geschafft zu haben, sagte „Tsotsi“-Regisseur Gavin Hood nach der Oscar-Verleihung. Vergebung und Verantwortung zu übernehmen sei das Grundthema des Films. Darauf verstehe sich Südafrika, und das sei der Grund, warum es der Film bis nach Hollywood geschafft habe.

„Es ist eine Geschichte über Hoffnung und handelt von Dingen, mit denen wir als Südafrikaner umgehen müssen, wie HIV/Aids, Armut und Gewalt“, sagt Chweneyagae. „Ich bin in einem Township aufgewachsen – ich kannte Typen wie Tsotsi.“

Hood produzierte seinen Film in „Tsotsi-taal“, in Straßendialekt, nicht in Englisch, und besetzte alle Rollen mit südafrikanischen Schauspielern. Die Geschichte basiert auf einer Novelle von Athol Fugard, berühmter südafrikanischer Autor. Die Erzählung in seinem Buch spielte allerdings in den Fünfzigerjahren, in Apartheid-Südafrika. Hood konzentriert sich in seiner Version eher auf Klasse denn Rasse und auf den modernen Alltag eines ärgerlichen jungen Tsotsi in rauer Umgebung, begleitet von Kwaito-Musik, dem dröhnenden Beat der Jugend in Südafrikas Townships und Städten.

MARTINA SCHWIKOWSKI