Kamera läuft, Kameraden

Riesiger Naziaufmarsch im Lustgarten: Mit rund 600 Komparsen dreht der Regisseur Dany Levy für seinen Film „Mein Führer – die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“ vor dem Alten Museum in Mitte. Die Inszenierung wirkt erschreckend echt

Von SOPHIE DIESSELHORST

Die Stimmung in Mitte an diesem Montagmorgen ist eisig und bedrückend. Über den verschneiten Lustgarten pfeift ein kalter Wind. Der Park liegt um kurz nach neun Uhr da wie leer gefegt. Das Alte Museum ist geschlossen. Auf den Treppen seines mächtigen Portals ist eine Rednertribüne aufgebaut. Geschmückt ist sie mit einem riesigen Hakenkreuzbanner. Plötzlich kommt ein schwarzer Oldtimer um die Ecke gefahren und hält vor der Museumsfront. Doch niemand steigt aus: Es war nur eine Probe.

Mitten in Mitte dreht der Regisseur Dany Levy für seine Parodie „Mein Führer – die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“. 600 Komparsen, die Hälfte in Soldatenkluft mit dunkelgrünen Mänteln, warten auf der Museumsinsel auf den Beginn der Filmaufnahmen. Doch nicht nur Ewiggestrige hat das Spektakel angelockt: Knapp 100 Schaulustige drängen sich auf den Treppen zum Berliner Dom. „Das ist ja schlimm, das sieht aus wie echt“, raunen sich zwei 16-jährige Mädchen zu, die einen Blick auf das weitgehend abgeriegelte Filmset erheischen konnten. Die Großfamilie neben ihnen – Touristen aus Italien – versteht nur Bahnhof.

„Es wird eine Farce über Hitler in den letzten Kriegsmonaten“, beschreibt Anja Oster, Sprecherin der Produktionsfirma x-film, das neue Projekt des jüdischen Regisseurs Levy. Kulissen und Ausstattung wirken nichtsdestotrotz äußerst originalgetreu. „Der Film spielt in Berlin und ist auch schon größtenteils hier gedreht worden“, sagt sie. Dieser Montag sei der letzte Drehtag in der Hauptstadt. Die Szene, die gefilmt wird, spielt im Januar 1945. „Wir stellen einen Aufmarsch nach“, so Oster. Im abgesperrten Bereich warten die Komparsen um kurz nach halb zehn Uhr immer noch auf ihren Einsatz. Rasch werden noch ein paar Gewehre angeliefert. Rechts vom Alten Museum bilden die Statisten dann eine Gasse. Auf der einen Seite stehen Soldaten, auf der anderen Zivilisten, vor allem Frauen und Kinder. Hakenkreuzfähnchen werden verteilt, einige der Darsteller üben schon mal den Hitlergruß.

Endlich, um Viertel vor zehn, fährt „der Führer“ höchstpersönlich am Eingang des Filmsets vor. Die Maskenbildner haben volle Arbeit geleistet. Darsteller Helge Schneider, bekannt vor allem als musikalischer Komödiant, ist kaum mehr zu erkennen: Das schmale Bärtchen sitzt, die Pomadefrisur schützt er durch ein hellblaues Handtuch.

Gleich danach geht es los. Film ab: Der Führermime lässt sich majestätisch in einem offenen Mercedes durch eine Gasse von johlenden Bewunderern kutschieren. Nach der ersten Einstellung die erste Pause: Die Komparsen strömen vom Set zum Wärmezelt hinter dem Dom. „Ein bisschen kühl ist es schon, aber ich bin ja ziemlich warm angezogen“, sagt eine in einen dunklen Wollmantel gehüllte „Zivilistin“. Die einzige Vorgabe für den Dreh sei dunkle, unauffällige, möglichst altmodische Kleidung gewesen. „Mir haben sie noch eine Rollfrisur gemacht, weil ich mit völlig aufgelösten Haaren hier ankam“, erzählt die Berlinerin.

Die Zuschauermenge ist inzwischen geschrumpft. Man sieht nicht viel, weil die Produktionsfirma nun auch noch große Lastwagen vor den Zäunen geparkt hat. „Den Film müssen wir uns unbedingt angucken“, beschließen zwei Schaulustige trotzdem, bevor sie dem Filmset den Rücken zukehren. „Mein Führer – die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“ kommt voraussichtlich noch dieses Jahr in die Kinos.