Die Chefin der Familien-KG

„Ich erlebe, dass sich junge Frauen in Küche und Kinderzimmer zurückziehen“

VON COSIMA SCHMITT

Achtzehn Jahre lang hat sie geschrubbt, gefeudelt und gebacken. Sie hat Hustentees gekocht und Sportshirts gewaschen und beim Bruchrechnen assistiert. „Ich war gern Hausfrau. Das war kein Opfer, das hat Spaß gemacht. Aber heute wird so ein Leben nicht mehr wertgeschätzt“, sagt Monika Wittkowski. Immer häufiger sagten die Leute „Hausfrau“ mit einem „nur“ davor. Als müsse eine Hausfrau sich entschuldigen. Als wäre sie bloß zu dumm gewesen, eine Tagesmutter zu engagieren. Drei Kinder hat Wittkowksi großgezogen. Heute engagiert sie sich im Berliner Hausfrauenbund. „Die Zeiten sind härter geworden für Frauen, die sich ganz der Familie widmen wollen“, sagt sie.

Der Lebensentwurf „Hausfrau“ verliert an Rückhalt – selbst bei den traditionellen Unterstützern. Die CDU etwa verfocht lange eine Sozialpolitik mit klarem Schwerpunkt: Familien, bei denen Er verdient und Sie sich Heim und Kindern widmet, sollten finanziell entlastet werden. Nicht nur an Stammtischen war das Klischee „Berufstätige = Rabenmutter“ beliebt.

Nun aber setzen auch Unionspolitiker auf ein moderneres Leitbild: die Kita-unterstützte Karrierefrau und Mutter. „Viele Frauen, die jetzt in der zweiten Lebenshälfte sind, fragen sich: Was ist denn dann unser Lebenswerk wert?“, sagt Magdalena Bogner, Vorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands. Frauen, die ganz selbstverständlich ihre Hausfrauenrolle angenommen hatten, erleben jetzt: Es hätte auch andere Wege gegeben. „Sie trauern um nicht gelebte Möglichkeiten.“ Oft hört Bogner Vorwürfe. „Die Frauen fragen: Wie werden wir von euch noch vertreten, wo ihr euch doch für die Erwerbstätigkeit von Mann und Frau einsetzt?“

Auch Adelheid Renner aus Hechingen bei Tübingen ist „bloß Hausfrau“, wie sie sagt, seit 40 Jahren schon. „Mein Mann wollte, dass ich ganz für die Kinder da bin. Und ich war einverstanden. Wir hatten ja keine Geldsorgen. Heute denke ich: Es wäre schön gewesen, wenn ich mal wieder rausgekommen wäre.“ Es sage einem ja keiner: „Das sieht toll aus, wie du die Fenster geputzt hast.“ Sie mochte es, dass ihre Kinder keinen Schlüssel brauchten, „aber ich kann auch verstehen, dass die jungen Frauen mehr im Leben drin sein möchten.“

Die tradierte Rollenteilung gerät auch deshalb in die Kritik, weil sie immer schwerer lebbar ist. Kaum ein Familienernährer kann sicher sein, dass er seinen Job bis zum Rentenalter behält. Sind beide berufstätig, mindert dies das Risiko des sozialen Abstiegs. Will aber eine Vollzeit-Mutter nach Jahren zurück in den Job, wird sie oft ausgebremst von einer Schar der jungen Mitbewerber. „Schon nach drei Jahren ist eine Rückkehr in den Beruf schwer. Nach zehn ist sie fast unmöglich“, sagt Bogner.

Stärker als zuvor stellt sich zudem die Sinnfrage. Erst jenseits der 80, weiß die Forschung, beginnt heute das „eigentliche Alter“ – der Zustand, in dem Menschen körperlich wie geistig zunehmend eingeschränkt sind. So bleiben der Hausfrau nach dem Auszug der Kinder noch 20 bis 30 Jahre, die es zu gestalten gilt. Die traditionelle Sinnstiftung „Einsatz für die Enkel“ aber verliert an Bedeutung. Zum einen werden weniger Kinder geboren. Zum anderen erzwingt die moderne Berufswelt Mobilität. Immer häufiger leben die lieben Kleinen viele Autostunden von Omas Küche entfernt.

Selbst auf die Wissenschaft können sich Vollzeit-Mütter nur schwer berufen. „Falsch ist, wenn die Mutter glaubt, sie könne ihrem Kind durch vorübergehenden Verzicht auf den Beruf einen besseren Start ins Leben verschaffen“ , erläutert Reinmar du Bois, Leiter der Kinderpsychiatrie am Olgahospital in Stuttgart.

So verwundert es nicht, wie sehr sich heute Hausfrauen in die Defensive gedrängt fühlen. Lobbyistinnen fordern zumindest eine wertgemäße Wortwahl. „Heute sagt man nicht mehr ‚Hausfrau‘. Man sagt ‚Vollhausfrau‘ oder ‚Familienmanagerin‘ oder ‚Haushaltsführende‘“, sagt Wittkowski. Der Verband der Familienfrauen und -männer verweist gern auf Forschungswissen, um das hausfrauliche Tun aufzuwerten – etwa auf eine Studie der Universität Gießen, nach der das Betreuen zweier Kinder unter drei Jahren eine 36-Stunden-Woche erfordert.

„Frauen werden heute in die Erwerbstätigkeit gedrängt“, findet Wittkowski. „Sie sind nur etwas wert, wenn sie arbeiten gehen, nebenher die Kinder erziehen und alles super managen.“ Fast 20 Jahre zu Hause zu bleiben, wie sie selbst es tat – das sei heute kaum mehr lebbar. „Als ich 20 war, hat mich das Thema Rente null interessiert. Und meine Freundinnen auch nicht. Es gab ein Grundvertrauen, dass es immer aufwärts geht. Heute sorgt sich meine Tochter schon mit Anfang dreißig um ihre Alterssicherung.“ Im Grunde hätten die jungen Leute ja Recht mit ihrer Ahnung, sich jahrelange Jobpausen nicht leisten zu können. „Wenn ich meinen Rentenbescheid sehe – etwas über 800 Euro –, muss ich schon schlucken.“

Dabei sei die Familienarbeit heute nicht weniger geworden. Nur anders. Heute müssen Frauen zwischen Aldi-Gemüse und Biokost abwägen. Sie müssen ihr Kind von der Playstation weglocken. Und nebenher gewandt mit Schnellkochtopf und Hightech-Waschmaschine hantieren. Dennoch hält sie nichts davon, wenn Vollzeit-Mütter gegen den Kita-Ausbau wettern. Im Gegenteil. „Der neue Weg, das ist die Zweiteilung: Mütter, die arbeiten gehen, und ausgebildete Haushaltsführende, die gegen Lohn die Kinder umsorgen, ob zu Hause oder in der Kita-Küche.“

So zeitgemäß diese Aufgabenteilung sein mag – ganz wird dem deutschen Hausfrauentum der Nachwuchs nicht ausgehen. Dieselbe Wirtschaftsflaute, die den Alleinberuf Mutter so risikoreich macht, beschert ihm auch neuen Zulauf, sagt Bogner: „Ich erlebe oft, dass sich gerade junge Frauen in Küche und Kinderzimmer zurückziehen. Das ist einfacher, als draußen in der harten Berufswelt zu bestehen.“

So werden sich auf den Spielplätzen weiterhin Profi-Sitterinnen, Vollhausfrauen und Feierabend-Väter begegnen. Das Leitbild „Hausfrau/Verdiener“ hat an Strahlkraft verloren. Entmachtet ist es noch nicht.