To Sir with Love

DAS SCHLAGLOCH von RENÉE ZUCKER

Wir wollen mit den Jüngeren nicht jünger werden, wir wollen einfach in aller Ruhe mit ihnen alt werden

Wagen Sie etwas, Paul. Sehen Sie zu, was sich daraus entwickelt. (…) Damit irgendjemand, irgendwo Sie in einem Buch verwenden könnte. Damit jemand den Wunsch hat, Sie in einem Buch zu verwenden. (…) Damit Sie es wert wären, in einem Buch verwendet zu werden ..., Paul. Leben Sie wie ein Held. Das lehren uns die Klassiker. Seien Sie eine Hauptfigur. Wozu sonst leben? Elizabeth Costello in J. M. Coetzees Roman „Zeitlupe“

Lasst uns zur Feier des Tages über Männer sprechen. Dies wollen wir mit der angemessenen Liebe und Leichtigkeit tun, die Frauen über fünfzig gut zu Gesicht stehen. Wenn die DNA und die Hormone nicht mehr vehement nach Vermehrung verlangen und auch das Bedürfnis zur Mythologisierung auf andere Weise befriedigt wird, lässt es sich erstaunlich unverbittert mit dem anderen Geschlecht umgehen.

Als Katharina Thalbach neulich gefragt wurde, was der Vorteil eines zwanzig Jahre jüngeren Freundes sei, antwortete sie: „Dass er mich beerdigen kann.“

Mutter Beimer hingegen nannte letzten Sonntag ihren Exgatten wie einst „Hansemann“ und jammerte wie einst nach einem Spiegelei, das er ihr braten sollte, weil sie Trost brauchte. Diesmal brauchte sie ihn, weil ihre Lebensversicherung nicht ausreicht, um in den Vorruhestand zu gehen. „Alt werden ist Scheiße“, sagte sie zutiefst erschüttert. Dabei lungerte sie aber ganz unverkrampft in der Küche desjenigen herum, der sie seinerzeit wegen einer Jüngeren verlassen hat, ließ sich ihre magere Rente von ihm ausrechnen und ein Spiegelei braten und wollte vom Leben nur noch eins: nicht mehr arbeiten müssen. Vorbei die Wut über den Verrat des schmallippigen Sozialarbeiters, vorbei mit Schmach und Schande einer sitzen gelassenen Hausfrau – am Ende zählen Rentenanspruch und Spiegeleier.

Es ist ja klar, dass uns Katharina Thalbach besser gefällt. Doch nicht nur, weil sie kein Gejammer zulässt – dieses Altersmantra, mit dem man, einmal angefangen, so schwer wieder aufhören kann – und weil sie vermutlich arbeiten wird, bis sie tot umfällt. Nicht nur deswegen gefällt sie uns, sondern auch, weil sie das Praktische mit dem Angenehmen zu verbinden weiß. Frauen in diesem Alter wissen nämlich, dass von gleichaltrigen bis älteren Männern nicht mehr zu erwarten ist, als sie es uns bis hierhin gezeigt haben. Dies ist beileibe nicht männerfeindlich, nur lebensnah. Wir können schließlich auch nicht aus unserer Haut. Nicht dass nun jemand glaube, jüngere Männer hätten mehr drauf, sie sehen einfach nur besser aus dabei.

Schon recht: jüngere Frauen auch. Allerdings sind wir im Alter etwas weniger anstrengend. Vielleicht liegt es daran, dass Frauen im Alter männlicher und Männer im Alter weiblicher werden, d. h. wir entwickeln jetzt all diese herrlich lässigen Eigenschaften, für die wir Männer seit unserer Kindheit beneidet und geliebt haben: lassen fünf gerade sein, hängen in Cafés ab, nehmen’s nicht mehr so genau mit der Ordnung, sind viel weniger nachtragend, lassen alles Kontrollgehabe fahren und lachen über blöde Witze. Sie hingegen fangen jetzt das prätentiöse Quengeln und Rumgezicke an, bestehen pedantisch auf lieb gewordenen Gewohnheiten wie Müsli am Morgen, Schlafen vor Mitternacht, und auch zwischendurch soll alles möglichst ohne größere Aufregungen verlaufen.

Sie neigen dazu, alle Erkenntnisse, die sie in den letzten 40 Jahren gewonnen haben, noch einmal wiederzukäuen, und jammern doch ständig über ihre Verdauung. Komisch eigentlich, dass es, obwohl so ein weit verbreitetes Symptom bei Männern, die in die Jahre kommen, dazu so wenig Literatur gibt. Achtung, Marktlücke: Der verstopfte Mann. Diesem entgeht man natürlich mit Jüngeren. Mit ihnen kann die östrogenbefreite Frau eine geistige wie erotische Beziehung von Mann zu Mann, also so ’ne richtig dufte Männerfreundschaft pflegen. Das kommt auch dem Zeitgeist entgegen, wo jetzt immer mehr Männer schwul werden wollen. Und wenn nicht richtig, dann doch wenigstens mental.

Natürlich haben, trotz all unserer herrlich unverbitterten und männlich lässigen Leichtigkeit, auch derartige Verbindungen ihre unter- wie oberirdischen Sprengsätze: Es könnte zum Beispiel langweilig werden mit jemandem, der zwanzig Lebensjahre weniger und dementsprechend weniger Film-, Bücher-, Musikerfahrungen aufzuweisen hat – aber war es etwa nicht auch manchmal sturzlangweilig mit jenen, die wie wir mit Zebulon und Hugo dem sächselnden Schneckerich im „Zauberkarussell“ des Zweiten Deutschen Fernsehens oder mit Günter Pfitzmann als „Gestatten, mein Name ist Cox“ im Ersten aufwachsen durften? Die Ernst Lubitsch und Gillo Pontecorvo im Kino genauso liebten wie Kerouac und Castaneda auf der Couch und ebenfalls süchtig nach „It’s all over now, Baby Blue“ und „Gimme shelter“ in den Ohren waren. Gott, was gab es öde Momente mit denen …

Nächste Tretmine: Der junge Freund könnte sich nach einiger Zeit eventuell auch nach einer Jüngeren umsehen. Auch daran haben wir gedacht: Männer tun dies bekanntlich gern in der Midlife-Crisis, deshalb nützt es eben gar nichts, wenn man nur einen 10 Jahre jüngeren Freund hat – den kann man sich mit 40 leisten, aber später sollte die vorausschauende Frau den Altersabstand auf 20 Jahre aufstocken, weil wir ja dann schon wahlweise tot oder weise, erleuchtet und gleichmütig sein werden, wenn der junge Mann die Krise kriegt.

Das ist übrigens auch der einzige Fehler, der J. M. Coetzee in seinem wundervoll mysteriösem Buch „Zeitlupe“ über den älter werdenden Langweiler und Jammerlappen Paul unterlaufen ist, dem die eigensinnig wilde Elizabeth Costello nachstellt, während er noch ganz auf die jüngere Krankenschwester fixiert ist: Elizabeth ist mit 70 nur 10 Jahre älter als er! Das ist einfach zu wenig und konnte nicht klappen.

Ich glaube, der entscheidende Unterschied zwischen Männern, die sich eine Jüngere nehmen und Frauen, die das Gleiche tun, ist folgender: Wir wollen mit den Jüngeren gar nicht jünger werden, ganz im Gegenteil: Wir wollen einfach in aller Ruhe mit ihnen alt werden.

Was die jungen Männer davon haben?

Eindeutig weniger Stress und besseres Essen.

Wir wollen weder eine Familie mit ihnen gründen (was dem jungen Mann von heute entgegenkommt, will er doch immer häufiger keine Kinder haben), noch wollen wir, dass sie reich und berühmt werden.

Frauen in unserem Alter wissen, dass von gleichaltrigen bis älteren Männern nichts mehr zu erwarten ist

Wir wollen sie nicht ständig um uns haben und auch nicht immer wissen, wo sie gerade sind.

Wir wollen nicht mehr, dass sie alles können. Der All-Inclusive-Mann ist nicht mehr unser Begehr. Im Laufe unseres Lebens stellten wir fest, dass sich für jedwedes Bedürfnis jemand finden lässt: der Handwerker für den Haushalt, der Auto- und Finanzexperte, das intellektuelle Gegenüber, der Kinobegleiter, der Berater in Herzensangelegenheiten. Wir können den jüngeren Mann so lassen, wie er ist, und bieten nur bei Bedarf in Fragen der Karriereplanung oder Herzenserziehung so manchen guten Tipp und hier und dort ein beruhigendes Wort.

Wir wollen einfach nur, dass er guter Dinge ist und lecker riecht. Mehr nicht.

Fotohinweis: Renée Zucker lebt als freie Publizistin in Berlin.