Ein Vierteljahrhundert Sichtbarkeit

Vor 25 Jahren wurde das Beratungszentrum für Homosexuelle gegründet. 1994 teilte sich die Einrichtung in drei Institutionen. Nun präsentieren sie sich wieder gemeinsam. Das sei eine gesellschaftliche Notwendigkeit

Die Lesben- und Schwulenberatung in Berlin sowie der Verein „KomBi – Kommunikation und Bildung vom anderen Ufer“ sind 25 Jahre alt geworden. Am gestrigen Jahrestag luden sie zur Pressekonferenz ins Jüdische Museum. Denn dort, wo heute der Neubau von Daniel Liebeskind steht, war früher ein altes Arbeiterwohnheim, in dem die Geschichte dieser drei Organisationen begann. Damals arbeiteten sie noch zusammen. Erst 1994 trennten sie sich entlang der geschlechterbezogenen Grenze. Schwule auf der einen, Lesben auf der anderen Seite. Der Bildungsbereich KomBi war ihre verbindende Brücke.

Nicht nur aus Nostalgie präsentieren sich die drei Organisationen zum Jubiläum wieder gemeinsam. Die gesellschaftliche Realität erfordere eine neue Vernetzung von Gruppen, die mit Minderheiten arbeiten, sagt Thomas Kugler, Bildungsreferent von KomBi. Das zeige etwa der SPD-CDU-Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz, in dem Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung oder der Religionszugehörigkeit nicht mehr auftauchen.

Noch allerdings ist die Zusammenarbeit zwischen Lesbenberatung, Schwulenberatung und KomBi ausbaufähig, meint Marcel de Groot, Geschäftsführer der Schwulenberatung. Dort arbeiten 40 Männer und zwei Frauen. Von der Coming-out-Beratung über HIV-Thematiken, von der Betreuung psychisch kranker Schwuler über Gruppen für schwule Väter und homosexuelle anonyme Alkoholiker wird thematisch alles abgedeckt. Außerdem betreut die Schwulenberatung 60 Plätze in therapeutische Wohngemeinschaften.

In der Lesbenberatung arbeiten hingegen nur zehn Frauen. Ihre Zielgruppe sind bi- und homosexuelle Frauen, aber auch transidentische Personen. Identitätsfragen und Antigewaltarbeiten stehen bei der Lesbenberatung im Vordergrund. Hinzu kommen psychosoziale Gruppen, Arbeit mit Migrantinnen sowie ambulante Einzelfallhilfe.

Die Frage, warum die Lesbenberatung so viel kleiner ist, wurde mit dem Verweis auf andere Frauenprojekte, die einiges abdeckten, beantwortet. Die Schwulen hingegen hätten keine Männerbewegung im Rücken. Die Diskrepanz spiegele aber auch die unterschiedliche Wahrnehmung von Männern und Frauen in der Gesellschaft wieder, bestätigt Thomas Kugler von KomBi. „Männer haben mehr Aufmerksamkeit in den Medien, Männer haben mehr Netzwerke, Männer haben mehr finanziellen Rückhalt von Männern.“

KomBi, der schwullesbische Bildungsbereich, ist der ärmste Ableger der ehemals gemeinsamen Organisation. Im Zuge der Sparmaßnahmen des Senats wurden öffentliche Zuschüsse an Bildungseinrichtungen wie diese gestrichen. Nun existiert der Verein „auf Basis des professionellen Ehrenamts“, wie Stephanie Nordt von KomBi erklärt. Kostenlos können sie ihre Aufklärungsarbeit zu Homosexualität an Schulen und Institutionen seither nicht mehr anbieten. Dabei müssten gerade hier Verständnis und Toleranz gefördert werden. Wer aber zahlt schon gerne dafür, wenn er oder sie Privilegien der „heteronormativen Gesellschaft“, wie Nordt sagt, in Frage stellen soll, die ihm oder ihr unter Umständen nützen?

Waltraud Schwab