Rosa Karte für Kaczyński

Während vor der Humboldt-Uni 200 Menschen gegen den polnische Präsidenten demonstrieren, poltert der drinnen erneut gegen Homosexuelle. Wowereit sieht „erheblichen Aufklärungsbedarf“

von UWE RADA

Deutlicher hätte der Gast kaum werden können. Eine mit der heterosexuellen gleichberechtigte homosexuelle Kultur könne es „nebeneinander nicht geben“, sagte der polnische Präsident gestern in der Humboldt-Universität. Doch Lech Kaczyński legte noch nach: Eine Förderung der Homosexuellen würde die europäische Zivilisation gefährden, denn dann würde „die Menschheit aussterben“.

Da wurde selbst der ansonsten meist sehr diplomatische Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit deutlich. „Die Äußerungen von Präsident Kaczyński zeigen, dass es in Fragen der Gleichstellung von unterschiedlichen Lebensentwürfen noch erheblichen Diskussions- und Aufklärungsbedarf gibt“, sagte Wowereit wenig später.

Kaczyńskis Rede bestätigte die Befürchtungen von rund 200 Demonstranten vor dem Eingang der Uni. Sie waren dem Aufruf des Lesben- und Schwulenverbands Deutschlands (LSVD) gefolgt, um gegen den polnischen Präsidenten zu demonstrieren, der zuvor als Stadtpräsident von Warschau zweimal die „Gleichberechtigungsparade“ der Schwulen und Lesben verboten hatte. „Die Demonstration ist damit auch eine Zeichen an unsere Freundinnen und Freunde aus Polen, dass wir mit ihnen solidarisch sind“, sagte Günter Dworek vom LSVD-Bundesvorstand.

Solidarisch waren auch polnische Demonstranten. Zwar hatte Iwona kein Transparent dabei, sondern nur einen Fotoapparat, mit dem sie die Kundgebung zusammen mit ihrer Bekannten fotografierte. Dass die Demo richtig ist, daran hatte sie aber keinen Zweifel. „Man muss auch den Polen zeigen, dass so etwas in Berlin nicht möglich ist“, sagt Iwona, die seit sieben Jahren in Berlin lebt. Gleichzeitig zweifelte sie aber daran, ob die Proteste in den polnischen Medien überhaupt Erwähnung finden. Darin sollte sie sich täuschen. Sowohl die polnische Presseagentur als auch die Internetportale der großen Zeitungen berichteten umgehend über den „Schwulenprotest in Berlin“.

Mit Ramona Pop, Thomas Birk und Sibyll Klotz haben sich auch drei Mitglieder der Grünen-Abgeordnetenhausfraktion unter den Demonstranten eingefunden. „Polen ist Mitglied in der EU und da geht es eben nicht nur um wirtschaftliche Fragen, sondern auch um Demokratie“, sagte Fraktionschefin Klotz. „Das muss man der polnischen Regierung auch deutlich machen, dass ein Verbot der Gleichberechtigungsparade eine Verletzung der Menschenrechte ist.“

Während die 200 Demonstranten draußen in der Kälte standen, hatte sich eine Gruppe von 30 Protestierenden bereits auf den Weg ins Audimax gemacht. Geplant sei so etwas nicht, hatte zuvor noch LSVD-Vorstand Günter Dworek gesagt: „Wir wollen den Polen ja keinen Vorwand für weitere Diskriminierung geben.“

Weniger vorsichtig äußerte sich der HU-ReferentInnenrat. „Die homophoben Äußerungen von Kaczyński zeigen nur, wie bitter notwendig unser Protest war“, sagte Malte Göbel von der schwullesbischen Hochschulgruppe „mutvilla“. „Wer von Solidarität in Europa spricht, darf nicht zur Verletzung elementarster Grundrechte von Schwulen und Lesben in Polen schweigen.“

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