Sicheres Kittchen statt Pulverfass

Bei vielen Gefängnissen in NRW herrscht Sanierungsbedarf. Gewerkschaft klagt über fehlendes Personal

DÜSSELDORF taz ■ Die nordrhein-westfälischen Gefängnisse sind gut ausgelastet. Laut NRW-Justizministerium gibt es rund 18.500 Haftplätze bei einer Belegung von knapp 18.000 Gefangenen. Jedoch können permanent einige hundert Betten nicht genutzt werden. Der Grund seien vor allem Renovierungen. „Die Justizvollzugsanstalten sind auskömmlich ausgestattet, wir renovieren aber ständig und schaffen so ab und zu neue Plätze“, sagt Ralf Neubauer, Sprecher des Justizministeriums.

Das Land mietet die Gefängnisse vom Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW. Viele der 37 Knäste sind alt und deshalb sanierungsbedürftig, darunter auch die JVA Ulmer Höh‘ in Düsseldorf. Das Gebäude soll abgerissen und neugebaut werden, weil es „zu baufällig und die Technik nicht mehr auf dem neusten Stand ist“, sagt Klaus Jäkel, Landesvorsitzender beim Bund der Strafvollzugsbediensteten (BSBD). Ein Sanierung würde sich hier nicht mehr lohnen. Auch zwei alte Zweiganstalten in Duisburg und Oberhausen sollen mit dem Neubau ersetzt werden. Fast 850 Häftlinge hätten in der neuen JVA Platz. Damit wäre sie das viertgrößte Gefängnis in NRW. „Das heißt aber nicht, dass die Insassen dort schlechter behandelt werden“, sagt Detlef Wenzel, Sprecher der Landesjustizvollzugsanstalt. Die großen Gefängnisse würden zunehmend in viele kleine Einheiten unterteilt, etwa nach Geschlecht, Alter, offenem oder geschlossenem Vollzug.

„Größer sollte eine JVA nicht sein“, sagt Jäkel. Ansonsten würde sie schnell zum „Pulverfass“. Wichtig sei auch gut ausgebildetes Personal. „Damit kann vieles verhindert werden“, so der Vorsitzende. Starker Drogenkonsum sei in den Knästen noch immer alltäglich, viele Häftlinge seien gewalttätig. Es dürfe deswegen nicht sein, dass nach dem Neubaus private Betreiber ohne ausreichende Qualifizierung eingesetzt würden. Der Ruf der Ulmer Höh‘ litt vor zwei Jahren unter einer Selbstmord-Serie. Von 2003 bis 2004 brachten sich sieben Insassen um. Sogar eine Sonderkommission war mit der Ursachensuche betraut worden, sie konnte jedoch keine Missstände feststellen.

Auch die Gesamtsituation der JVAs sei nicht glücklich, so Jäkel. „Wir haben noch nicht die personelle Ausstattung, die wir brauchen“. Zwar kommen auf knapp 18.000 Insassen 8.400 Beschäftigte, davon seien aber nur 5.600 „uniformiert“, also Wachpersonal. „Viele der Mitarbeiter sind noch in der Ausbildung oder haben keinen unmittelbaren Kontakt zu den Häftlingen“, sagt Jäkel. Laut Landesjustizministerium reicht das Personal jedoch völlig aus.

Die Zahl der Häftlinge ist laut Strafvollzugsstatistik NRW seit Jahren konstant. Im Jahr 2005 waren in den nordrhein-westfälischen Knästen 17.990 Menschen inhaftiert. Vor zehn Jahren waren es rund 17.160 Insassen. Zwar verbüßt laut Landesamt für Statistik fast die Hälfte der Inhaftierten nur Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr. Allerdings stieg insgesamt auch die Dauer der Haft an. „Manche Gefängnisse sind stärker, andere schwächer belegt“, sagt Wenzel. Allerdings gebe es eine tägliche Fluktuation zwischen den JVAs, so Neubauer. „Eine Überbelegung sieht so aus, dass in ein Einzelbettzimmer ein Stapelbett gestellt wird“, sagt der Sprecher.

Auch der Sicherheitsstandard ist unterschiedlich. In der JVA Werl seien etwa mehr Menschen mit langen Freiheitsstrafen inhaftiert – und die Sicherheitsvorkehrungen deshalb höher als im offenen Vollzug, so Wenzel. Einen Trend zu wenigen, dafür größeren Knästen sieht er aber nicht. Neubauten seien außer in Ratingen nur in Münster angedacht. Allerdings sei hier noch nicht endgültig entschieden worden.

GESA SCHÖLGENS