Auslaufmodell Schülerladen

Die 220 Berliner Schülerläden kämpfen um ihre Existenz, weil der Senat die Nachmittagsbetreuung von Schülern auf die Grundschulen übertragen hat. Viele Eltern wollen das nicht hinnehmen

Von Alke Wierth

Leander schiebt trotz des Protestes der Mädchen sein Fahrrad ins Ladenlokal des Schülerladens „Minimäuse“. Er ist sauer, weil er vom Spielplatz wieder rein muss. Rumtoben geht jetzt erst mal nur noch im geräumigen Kletterzimmer des Schülerladens.

Leander und 15 andere Kinder aus den ersten bis vierten Grundschulklassen werden hier nachmittags zwischen halb zwei und achtzehn Uhr betreut. Noch – denn der Fortbestand des Schülerladens „Minimäuse“ ist wie der vieler anderer bedroht.

Seit Beginn des laufenden Schuljahrs gehört in Berlin die Nachmittagsbetreuung von Grundschulkindern zum Schulbetrieb: 60 der über 400 Berliner Grundschulen wurden in gebundene Ganztagsschulen umgewandelt, fast alle übrigen bieten offene Ganztagsbetreuung an.

Für die 220 Schülerläden ist das eine Katastrophe: Zwar mussten viele Schulen beim Aufbau der Nachmittagsangebote mit bestehenden Einrichtungen zusammenarbeiten. Denn sie verfügten weder über ErzieherInnen noch über ausreichend Raum für den Nachmittagsbetrieb. Doch die meisten SchulleiterInnen bevorzugten Kooperationen mit Einrichtungen großer Träger, die viele Kinder betreuen können. Vor den kleinen und unabhängigen, meist als einzelne Elterninitiativen gegründeten Schülerläden schreckten sie zurück. Die fürchten seither um ihre Existenz. Denn neue Erstklässler aufnehmen dürfen seit Beginn des Schuljahrs nur noch die Schülerläden, die mit Grundschulen kooperieren. Den „Minimäusen“ ist das gelungen. Sie haben sich mit zehn anderen Schülerläden zu einem Kiezbündnis zusammengeschlossen und bieten nun für zwei der nahen Grundschulen die Nachmittagsbetreuung an. Die Existenz aller elf Schülerläden kann diese Kooperation aber langfristig nicht sichern: es kommen zu wenig Erstklässler nach.

„Man lebt von der Substanz“, sagt Johannes Zerger, der Vorsitzende des Kiezbündnisses der elf Nordschöneberger Schülerläden. 16 Kinder werden derzeit im Schülerladen „Minimäuse“ von zwei ErzieherInnen betreut – eine komfortable, aber schwer finanzierbare Situation.

Nicht alle Eltern wollen sich damit abfinden. Sie pochen auf ihr Recht, zwischen Nachmittagsbetreuung in der Schule oder im Schülerladen wählen zu dürfen. Eine diesbezügliche Klage wurde im Februar in erster Instanz abgelehnt, ein zweiter Verhandlungstermin vor dem Oberverwaltungsgericht steht aus.

Auch Johannes Zerger will sich nicht mit dem Ende der Schülerläden abfinden. „Warum sollen die Kinder den ganzen Tag in den Schulräumen, im Klassenverband verbringen?“, meint er. Im Schülerladen kämen sie in Kontakt mit anderen Kindern aus anderen Schulen: „Da lernen sie noch mal ganz neue Rollenverteilungen kennen.“ Und dadurch, dass die Schülerläden meist tatsächlich in Ladenlokalen untergebracht seien, würden die Kinder viel stärker in das Leben in ihrem Kiez eingebunden.

Das Schöneberger Kiezbündnis kämpft für den Fortbestand seiner elf Schülerläden: Am „Langen Nachmittag der Schülerläden“ sollen heute Eltern und Kinder von diesen Vorteilen überzeugt werden.