Weil Ver.di für richtige Ziele streikt, wächst das Verständnis
: Rotes Band der Sympathie

Nach wochenlangem Streik im öffentlichen Dienst hat die SPD einen Buhmann gefunden. Er heißt Hartmut Möllring und vertritt die Arbeitgeber. Dass sich die Sozialdemokraten auf den CDU-Mann einschießen, mag rein parteitaktisches Getöse vor den Landtagswahlen sein, ist aber gerade deshalb bemerkenswert – und ein hoffnungsvolles Zeichen. Nicht nur weil die SPD endlich den großkoalitionären Frieden stört, der die Debattenkultur im Land zu ersticken drohte. Der neue Meinungskampf um den Arbeitskampf könnte langfristig zu einem Umdenken führen. Auch in der Union.

Bisher galt in Deutschland eine feste Regel: Je länger ein Streik dauert, desto größer wird in der Bevölkerung der Unmut über die Gewerkschaften – erst recht, wenn der Ausstand im öffentlichen Dienst stattfindet, die Steuerzahler also natürliche Gegner der streikenden Gewerkschaft sind, weil sie sich direkt betroffen fühlen. Als Bürger, deren Müll liegen bleibt, und als Arbeitgeber, die die Kosten für Erfolge der Gewerkschaft tragen müssen. Für die Rolle des Buhmanns schien also nur einer infrage zu kommen: Ver.di-Chef Frank Bsirske. Doch der wirkt quietschvergnügt. Kein Wunder. Egal wie der Tarifstreit ausgeht, Bsirske hat jetzt schon mehr erreicht, als zu erwarten war: Verständnis.

Im Wahlkampfzeiten einen Arbeitskampf zu führen war mutig und wird nun doch belohnt. Zum Teil hat Bsirske das Möllring zu verdanken, der sich allzu stur verhalten hat. Gar kein Angebot zu machen kommt auch bei jenen schlecht an, die Gewerkschaftsforderungen skeptisch gegenüberstehen. Die SPD kann aber nur deshalb so vehement auf den Verhandlungsführer der Arbeitgeber eindreschen, weil es der Gewerkschaft gelungen ist, ihre Anliegen plausibel darzustellen. Ver.di tritt eben nicht als habgierige Bande auf, die mehr Geld will. Sie wehrt sich gegen Mehrarbeit, die Arbeitsplätze kostet. Und sie verweigert sich dem simplen Arbeitgeberargument, dass die öffentlichen Kassen nun mal leer sind. Die Kassen sind nur deshalb leer, weil sie nicht gefüllt werden. Das Geld fehlt, weil die Steuern niedriger denn je sind, Vermögen und Erbschaften unangetastet bleiben. Wenn die SPD auch darüber wieder spräche, hätte der Streik wirklich viel gebracht. LUKAS WALLRAFF