SPD will schlichten

VON ULRIKE WINKELMANN

In den Kampf zwischen der Gewerkschaft Ver.di und den Bundesländern um die 40-Stunden-Woche im öffentlichen Dienst ist Bewegung gekommen: Die SPD-Spitze empfahl gestern, einen Schlichter einzusetzen. „Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es sinnvoll ist, eine Schlichtung anzustreben“, sagte SPD-Chef Matthias Platzeck nach einer Sitzung des Parteipräsidiums. So könne verhindert werden, dass Länder aus der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) ausscheren.

Zuvor hatte bereits der rheinland-pfälzische Ministerpräsident und SPD-Vizechef Kurt Beck, der am 26. März eine Landtagswahl gewinnen möchte, indirekt damit gedroht, die TdL zu verlassen. „Ich schließe das nicht aus, auch wenn ich es für die am wenigsten wünschenswerte Lösung halte“, sagte Beck. Gestern ergänzte er: „Nach fünf Wochen Streik haben die Leute die Nase voll“, deshalb sollten „neue Personen“ die „Dinge jetzt lösen“. Er wisse auch schon, wen er gerne als Schlichter sähe: „Ich habe natürlich Namen im Hinterkopf“ – die er aber nicht nannte.

Schlichtungen im öffentlichen Dienst haben Tradition. Meist dienten sie bislang dazu, Streik zu vermeiden. Außerdem darf während einer Schlichtung nicht gestreikt werden.

Mit der Schlichtungsidee reagiert die SPD auf den Krach, zu dem es am Wochenende zwischen dem TdL-Chef, dem niedersächsischen Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) und seinem Stellvertreter, dem schleswig-holsteinischen Innenminister Ralf Stegner (SPD), gekommen war. Stegner hatte nach dem Scheitern eines Spitzengesprächs am Samstag erklärt: „Die Gewerkschaften haben sich bewegt, eine Einigung wäre möglich gewesen.“ Doch Möllring habe alles verdorben, weil er versucht habe, ihnen „seine Bedingungen per Ordre de Mufti“ aufzuzwingen. Ins selbe Horn bliesen seither neben Ver.di auch viele andere SPD-Politiker, Linke und Grüne.

Möllring erklärte gestern dagegen, Stegner sei „illoyal“. Er solle sich überlegen, was er in der TdL suche, wenn er das Gegenteil von dem vertrete, was dort beschlossen worden sei. Möllring lehnt einen Schlichter ab, denn ein Kompromiss sei möglich – nicht aber auf Grundlage des bisherigen Gewerkschaftsangebots. Die Länder brauchten die 40-Stunden-Woche, das seien 18 Minuten Mehrarbeit am Tag. Wenn Ver.di nun lediglich 14 Minuten pro Woche vorschlage, „ist das überhaupt nicht akzeptabel“, so Möllring.

Ihm sprangen mehrere FDP- und Unions-Politiker bei. Unions-Fraktionschef Volker Kauder warnte die SPD davor, sich in den Tarifkonflikt einzumischen. Er erklärte aber auch, angesichts der Lage der öffentlichen Haushalte seien den Beschäftigten längere Arbeitszeiten durchaus zuzumuten.

Die CDU-Verhandler der Länder lehnten eine Schlichtung ebenfalls ab. „Länder und Gewerkschaften sollten sich nach einer Denk- und Verschnaufpause schnell wieder zusammensetzen“, sagte etwa Nordrhein-Westfalens Finanzminister Helmut Linssen. Die Gefahr, dass die TdL zerbricht, sah Linssen nicht, „weil wir in der Sache einig sind“. Die Argumentation der Union lautet: Die SPD macht bloß Wahlkampf, ist in Wirklichkeit aber auch für die 40-Stunden-Woche.

Der dritte und längste Streik im öffentlichen Dienst in der Nachkriegszeit ging gestern in die sechste Woche. Ver.di kämpft dabei auf zwei Ebenen: erstens gegen die TdL, die den 2005 mit Bund und Kommunen ausgehandelten Tarifvertrag übernehmen soll. Zweitens gegen die Kommunen, die denselben Tarifvertrag schon wieder verletzt haben, um die 38,5- durch die 40-Stunden-Woche abzulösen.

In Hamburg gibt es eine nach Alter der Beschäftigten gestaffelte Lösung. Aus Niedersachsen funkte Ver.di gestern, die Kommunen seien kompromissbereit. In Baden-Württemberg hat Ver.di gestern für heute weitere Sondierungsgespräche angeboten. (mit dpa und AP)