„Kongo-Einsatz könnte kontraproduktiv sein“

Der Oppositionelle Alafuele Kalala Mbuyi warnt: Die Bevölkerung könnte deutsche Soldaten und EU-Truppen in der Hauptstadt Kinshasa bei einem möglichen Wahlbetrug als Unterstützung für Präsident Kabila wahrnehmen

taz: Am 18. Juni sollen im Kongo freie Wahlen stattfinden. Präsident Joseph Kabila hofft auf einen Sieg im ersten Wahlgang. Ist das realistisch?

Alafuele Kalala Mbuyi: Wenn die Wahl frei und fair ist, kann Kabila nicht gewinnen und es wird eine Stichwahl geben. Wenn Kabila doch im ersten Wahlgang durchkommt, werden die Leute von Fälschung sprechen und Kinshasa wird unregierbar.

Kann Kabila eine Stichwahl gewinnen?

Das Thema, das bei den Kongolesen heute zieht, ist Wandel. Die Kongolesen wollen Wahlen, um die heutigen Machthaber loszuwerden. Im ersten Wahlgang wird die ethnische Loyalität dominieren – leider. Aber in einer Stichwahl wird derjenige gegen Kabila siegen, der den Wandel verkörpert.

Aber Kabilas Partei PPRD (Volkspartei für Wiederaufbau und Demokratie) ist dabei, eine Wahlkampfmaschinerie mit viel Geld aufzubauen, um den Sieg zu holen …

Die Leute werden Kabilas Geld nehmen – und trotzdem ihrem Gewissen folgen. Die PPRD wird die Würdenträger und gesellschaftlichen Führer kaufen. Aber die werden nicht notwendigerweise die Wähler hinter sich scharen. In den Städten haben sie nicht viel Einfluss, und auf dem Land haben die Leute über Mobiltelefon auch mehr Kontakt mit der Außenwelt als früher. Es gibt in diesem Land keine einzige große politische Partei, auch nicht die PPRD. Hier in Kinshasa zumindest haben die bestehenden Bewegungen keinerlei Glaubwürdigkeit.

Was halten Sie von der Idee, eine EU-Truppe nach Kinshasa zu schicken, um die Wahl abzusichern?

Der vorherrschende Eindruck ist, dass die Europäer auf Kabila setzen, und wenn sie Truppen schicken, dann tun sie das, um Kabila zu unterstützen. Also droht der Einsatz kontraproduktiv zu werden. Der Kongo wird nur stabil, wenn der politische Prozess in den Augen der Bevölkerung glaubwürdig bleibt und das Wahlergebnis vom Volk akzeptiert wird. Wenn Kabila gewinnt, ist es nicht glaubwürdig. Man kann ein Land nicht ohne seine Bevölkerung stabilisieren.

Ist es nicht wichtig, einfach eine gewählte Regierung zu haben?

Vor einem Jahr, als eigentlich schon Wahlen bis zum 30. Juni 2005 geplant waren, gingen wir auf die Straße und haben die Bevölkerung mobilisiert, um für freie Wahlen zu demonstrieren. Die internationale Gemeinschaft hat auch mobilgemacht, um den Prozess zu retten, mit Verschiebung der Wahlen auf dieses Jahr. Die Bevölkerung hat das nur deswegen akzeptiert, weil die Perspektive auf einen Machtwechsel durch Wahlen erhalten blieb. Wenn das jetzt wieder nicht passiert, werden die Leute frustriert sein und es gibt erneute Instabilität.

Könnte es auch einen neuen Krieg geben?

Es gibt Leute, die sagen, dass man nur mit der Waffe in der Hand in diesem Land etwas verändern kann. Es gibt Exilanten in Europa, die so denken und die sich schon entsprechend vorbereiten, und sie arbeiten auch im Land selbst. Es gibt sogar Leute, die meinen, man muss putschen, um den Wahlprozess zu stoppen. Denn natürlich besteht die Gefahr, dass niemand eine Niederlage akzeptieren wird. Joseph Kabila will gewinnen, Jean-Pierre Bemba will gewinnen, die Rebellen im Osten wollen gewinnen. Jeder von ihnen kann den Prozess sabotieren.

Eben um das zu verhindern, soll ja die EU intervenieren. Wäre es hilfreich, wenn die Bundeswehr auf dem zentralen Boulevard von Kinshasa marschiert?

Das mag ja gut gemeint sein. Aber die Wahrnehmung der Kongolesen wird trotzdem sein: Hier kommt eine Armee, um Joseph Kabila zu unterstützen und mit Gewalt an der Macht zu halten.

Welche Bilanz ziehen Sie von dem Friedensprozess und der Allparteienregierung?

Am Anfang waren die Leute hoffnungsvoll, aber grundsätzlich ist der Friedensprozess gescheitert. Er kommt zwar voran, aber nur an der Oberfläche. Ansonsten gibt es wenig Fortschritte, die Menschen werden immer ärmer. Die Machthaber haben sich einfach aus den Staatskassen bedient. So kann man einen Staat nicht zum Funktionieren bringen. INTERVIEW:
DOMINIC JOHNSON, KINSHASA