Woche der Proteste in Frankreich

An gleich drei Aktionstagen wollen Studenten und Gewerkschaften gegen ein umstrittenes Gesetz für junge Berufstätige auf die Straße gehen. Eine Ansprache von Regierungschef de Villepin kann sie nicht davon abhalten. Das passt der Opposition

„Wir wollen gehört werden, ehe die Regierung Gesetze schreibt“

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

„Occupée“ – besetzt. Das Wörtchen verbreitet sich an immer mehr Universitäten in Frankreich. Es steht in bunten Lettern auf Kartons und Transparenten. Und es ist begleitet von dem Hinweis: „Der CPE muss weg“ – der „Erste Arbeitsvertrag“, der eine zweijährige Probezeit inklusive täglicher Kündbarkeit für junge Beschäftigte unter 26 Jahren einführt.

In dieser Woche weiten sich die Proteste gegen den CPE aus. Bereits drei Großdemonstrationen sind angekündigt: eine für heute, eine für Donnerstag und eine für Samstag. An Letzterer wollen sich auch die Gewerkschaften beteiligen. Gestern Vormittag besetzten StudentInnen in Lyon vorübergehend ein Büro der Regierungspartei UMP. Landesweit stellen sich immer mehr UniversitätsrektorInnen auf die Seite der Protestierenden. Der Sprecher der größten StudentInnenvereinigung, der PS-nahen „Uned“, Bruno Juillard, erklärt lächelnd: „Der Premierminister hält am CPE fest? Dann halten wir an unserem Widerstand dagegen fest.“

Ausgelöst wurde die Zuspitzung durch zwei Ereignisse am Wochenende: In der Nacht zu Samstag beendete die Polizei mit Tränengas, Knüppeln und mehreren Festnahmen eine Besetzung der Sorbonne. Der Innenminister brach zuvor seinen Besuch in den französischen Départements in der Karibik ab. Am Sonntagabend ging Premierminister Dominique de Villepin persönlich in die Hauptnachrichten des Privatfernsehsenders TF1. Einer freundlich gesinnten Journalistin erklärte er kategorisch: „Der CPE tritt in Kraft.“ Statt der von der kompletten Opposition und einzelnen SprecherInnen der Rechten verlangten Rücknahme des umstrittenen „Contrat première embauche“ und der Aufnahme von Verhandlungen schlug de Villepin lediglich ein paar Nachbesserungen vor. Darunter eine „Beratung“ für Jugendliche, die einen CPE-Vertrag haben. Er kündigte auch Gespräche mit den SozialpartnerInnen für die nächsten Wochen an.

„Zu spät“, konterten die Gewerkschaften, die seit dem Amtsantritt der Rechten in Paris immer wieder vor vollendete Tatsachen in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik gestellt worden sind: „Wir wollen gehört werden, ehe die Regierung Gesetze schreibt. Nicht umgekehrt.“

Der Fernsehauftritt von de Villepin war eine direkte Folge der Jugendproteste, die vor sechs Wochen an der Provinzuniversität Rennes begonnen und sich seither auf mehr als die Hälfte der 84 französischen Universitäten ausgebreitet haben. 11,5 Millionen Franzosen schauten dem Premierminister im Fernsehen zu, darunter zahlreiche StudentInnen. Manche beteiligten sich erst anschließend an Protesten. Ihre Begründung: „Offenbar kann nur eine landesweite Mobilisierung diese Regierung zum Einlenken bringen.“

Die Protestbewegung zum Frühlingsanfang kommt ungelegen für die Regierung, in der sich gleichzeitig der Innenminister und der Premierminister auf eine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen im Mai 2007 vorbereiten. Letzterer hat stark an Popularität verloren, seit er mit dem CPE das Arbeitsrecht antasten will. Der oppositionellen PS hingegen passen sie gut in den Kram. Dort verlangen alle potenziellen PräsidentschaftskandidatInnen die Rücknahme des CPE. Einer von ihnen, der frühere Kulturminister Jack Lang, verlangt wegen der Jugendproteste bereits eine vorzeitige Auflösung des Parlamentes.