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Sie kommen unangemeldet und meist im Auftrag der Nationalen Anti-Doping-Agentur Nada. 62 Dopingkontrolleure von der Firma PWC rücken deutschen Spitzensportlern täglich zu Leibe

„Wir schneien auchschon mal in eineGeburtstagsparty rein“

AUS KIENBAUM JUTTA HEESS

André Höhne schaut auf seine Stoppuhr und schüttelt die Beine zur Lockerung. Der Deutsche Meister und WM-Vierte im Gehen beendet gerade seine Trainingseinheit, als ein Mann mit einem großen Koffer auf den Sportplatz kommt und ihn begrüßt. Steffen Kursawe zückt seinen Ausweis und bittet André Höhne zum Dopingtest. Es ist eine Trainingskontrolle. André Höhne bleibt gelassen. „Sportler in meiner Leistungsklasse werden häufig kontrolliert, das ist schon Routine“, sagt er und verlässt gemeinsam mit Steffen Kursawe das Trainingsgelände. Der Kontrolleur darf den Sportler vom Zeitpunkt der Kontaktaufnahme nicht aus den Augen lassen, damit keine Manipulation mehr stattfinden kann.

Kursawe arbeitet im Auftrag der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) und der Gilchinger Firma Physical Work Control (PWC). Der Geschäftsführer und Mediziner Helmut Pabst beschreibt die Zusammenarbeit so: „Wir sind eine unabhängige Gesellschaft, die im Auftrag der Nada sowie nationaler und internationaler Fachverbände Trainings- und Wettkampfkontrollen durchführt.“ 62 Kontrolleure werden von PWC Tag für Tag zu Spitzensportlern geschickt, sämtliche Trainingskontrollen der Nada, etwa 4.200 im Jahr, werden von PWC abgewickelt. Seit 1993 existiert das Unternehmen, das vor Gründung der Nada auch im Auftrag des Deutschen Sport-Bundes kontrolliert hat. „Sportler werden nach einem Zufallsprinzip ausgelost und kontrolliert“, erklärt Pabst. „A-Kader-Athleten kommen zurzeit noch häufiger dran als B- und C-Kader-Athleten, aber das soll optimiert werden, damit alle international startenden Sportler künftig regelmäßig überprüft werden.“ Zudem seien gezielte Kontrollen geplant, zum Beispiel bei unerwarteten Leistungssteigerungen.

Kursawe und Höhne sitzen in einem kleinen Arztzimmer im Bundesleistungszentrum Kienbaum und füllen gemeinsam ein Formular aus. Der 43-Jährige nimmt die persönlichen Daten des Sportlers auf, fragt ihn, ob er in letzter Zeit Medikamente eingenommen habe. „Eine Aspirin und Magnesium“, antwortet Höhne. Danach nimmt er einen Becher aus Kursawes Koffer und geht mit dem Kontrolleur in die Toilette. Kursawe ist immer dabei, wenn der Sportler seine Urinprobe abgibt. Der 28-jährige Höhne muss dann die Hose bis zu den Knien runterlassen, das T-Shirt über den Bauch ziehen – nur so kann Kursawe sichergehen, dass keine fälschliche Beeinflussung der Probe stattfindet, durch Fremdurin in einem künstlichen Penis etwa. „Am Anfang war das sehr unangenehm, jetzt habe ich mich aber daran gewöhnt“, sagt Höhne. Und Kursawe ergänzt, dass Diskretion beim Umgang mit dem Athleten wichtig sei. „Das ist schließlich ein Eingriff in die Intimsphäre.“

Auch Pabst betont, dass der Kontrolleur dem Sportler nicht zu nahe treten darf. Man müsse zurückhaltend bleiben und dennoch auf Kleinigkeiten achten. „Zum Beispiel auf scharf gefeilte Fingernägel bei den Damen“, sagt Pabst. Damit könnten Sportlerinnen versuchen, Säckchen mit falschem Urin aufzuritzen. Pabst erklärt, dass seine Kontrolleure regelmäßig geschult werden. Oft sind es Polizei- oder Bundeswehrbeamte, pensionierte oder noch im Dienst stehende. Aber auch Mediziner oder andere Berufsgruppen sind in der Branche vertreten, alle arbeiten freiberuflich für PWC. Steffen Kursawe ist Sportlehrer.

Der Geher Höhne füllt nun seinen Urin aus dem Probenbecher eigenhändig in zwei Glasfläschchen um – die A- und die B-Probe. Kursawe beobachtet ihn und gibt ihm ein paar Anweisungen. Die Flaschen werden verschraubt, versiegelt und über Nacht per Kurier in eines der beiden IOC-akkreditierten Doping-Laboratorien – nach Köln oder nach Kreischa – geschickt. Anonym, nur die Nummer auf den Flaschen und dem Formular erlauben eine Entschlüsselung, die nur im Fall einer positiven Probe notwendig ist.

Höhne findet es gut, dass Leistungssportler regelmäßig kontrolliert werden. „Das ist ganz im Sinne des Fairplay“, sagt er. Nervig sei es allerdings, dass man die Nada ständig informieren müsse, wo man sich aufhalte. Hierzu hat die Agentur Ende des vergangenen Jahres ein Sportlerportal auf ihrer Internetseite eingeführt. Sportler aus Leistungskadern sind verpflichtet, hier regelmäßig ihre Aufenthaltsorte anzugeben und zu aktualisieren. „Ich muss eintragen, in welchem Zeitraum ich im Trainingslager in Kienbaum bin, wann ich zu Hause in Berlin zu erreichen bin, selbst wenn ich nur ein Wochenende verreise, muss ich das angeben“, erklärt Höhne. Aber diesen Eingriff in sein Privatleben nimmt er in Kauf, „das gehört eben dazu“. Und Kursawe ergänzt: „Die Athleten müssen rund um die Uhr mit einer Kontrolle rechnen. Wir schneien auch schon mal in eine Geburtstagsparty rein, einmal hatte ich sogar eine Kontrolle während einer Hochzeit.“

Dopingkontrolleur Steffen Kursawe schließt seinen Koffer mit den Kontroll-Utensilien und verabschiedet sich. Er hat heute noch weitere Termine, unerwartete Besuche bei nichts ahnenden Sportlern. „Das deutsche Kontrollsystem ist straff“, glaubt André Höhne, der Geher. „Sportler, die dopen, haben eigentlich keine Chance mehr durchzukommen.“ Eigentlich.

Die aktuellen Zahlen des deutschen Doping-Kontrollsystems von 2005 werden heute von der Nada in Berlin vorgestellt. Im Jahre 2004 wurden in Deutschland 72 Dopingfälle bekannt. Die Nada kontrollierte 8.885 Athleten, 4.417-mal im Training, 4.468-mal im Wettkampf