Rot-Grün ist des Müllers Lust

Im taz-Gespräch gehen die Fraktionschefs von SPD und Grünen auf Kuschelkurs. Man könne sich „über vieles unterhalten“, sagt SPD-Chef Müller zu einer rot-grünen Koalition. Linkspartei ist sauer

VON MATTHIAS LOHRE

Die SPD macht den Grünen Avancen für eine Regierungsbeteiligung nach der Wahl – und brüskiert damit ihren Koalitionspartner Linkspartei. Über eine mögliche Zusammenarbeit mit den Grünen denkt SPD-Partei- und -Fraktionschef Michael Müller neuerdings laut nach. Angesichts inhaltlicher Überschneidungen und gemeinsamer Koalitionserfahrung, sagte Müller im taz-Interview, könne man sich mit den Grünen „über vieles unterhalten“.

Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann beeilt sich, Müller zuzustimmen: „Auf Bundes- und Landesebene hat Rot-Grün eine Menge angeschoben. Das bekäme dieser Stadt auch in Zukunft gut.“ Für die Linkspartei findet der SPD-Chef nach vier Jahren gemeinsamer Regierungsarbeit weniger schmeichelhafte Worte: „Es hat nicht gerade geholfen, dass ausgerechnet die beiden Senatoren die Hartz-IV-Reformen umsetzten, die grundsätzlich dagegen waren.“

Linkspartei-Fraktionschef Stefan Liebich pariert den Angriff auf seine Parteifreunde, Wirtschaftssenator Harald Wolf und Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner. Seine Partei habe die sozialen Folgen der vom Bund beschlossenen Arbeitsmarktreformen nach Kräften abgefedert. „Eine Berliner SPD-Grünen-Koalition hätte den Hartz-IV-Gesetzen zugestimmt. Nicht umsonst ist Rot-Grün in Bund und Ländern ein Auslaufmodell.“

Besondere Gemeinsamkeiten entdecken die Chefs von Grünen und SPD bei den Themen Bildung und Forschung. Beide propagieren, mehr Geld in Kitas, Schulen und Universitäten stecken zu wollen. Grünen-Fraktionschef Ratzmann will Sprachkurse für Vorschulkinder und Ganztagskitas. Das nötige Geld erhofft er sich von Mehreinnahmen Berlins nach einer erfolgreichen Klage auf Haushaltshilfen des Bundes. Müllers Ambitionen gehen in dieselbe Richtung, unter anderem will er die Einrichtung von Ganztagsschulen forcieren. Nur geht der SPD-Chef von einem kleineren finanziellen Spielraum auch in den kommenden Jahren aus. Bessere Verknüpfungen von Kitas, Horten und Schulen sollen fehlendes Geld wettmachen.

Hinter der Flirtlaune von Grünen und SozialdemokratInnen stecken auch taktische Erwägungen. Die SPD will die vom Streit mit der WASG geschwächte Ex-PDS disziplinieren. Nebenbei kann sie sich im Wahlkampf als eigenständige Kraft profilieren.

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