BVG fordert neue Zone

Der Chef der Verkehrsbetriebe will das Tarifsystem umkrempeln: Lange Fahrten sollen teurer, kurze günstiger werden. Fahrgastverband spricht von „verkappter Preiserhöhung“, S-Bahn schweigt dazu

von Torsten Gellner

„Gnadenlos preiswert“ sei der öffentliche Nahverkehr in Berlin, findet Andreas Sturmowski, „für viele Angebote eigentlich zu preiswert“. Dem Vorstandsvorsitzenden der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) schwebt deshalb eine radikale Änderung des Tarifsystems vor. Wer lange Strecken fährt, soll künftig mehr zahlen. Entlastet werden sollen Kunden, die nur im Tarifbereich A, sprich auf und innerhalb der Ringbahn, unterwegs sind. Außerdem plant Sturmowski, ein neues Einzelticket für Kurzstrecken einzuführen. Und statt bisher 3 will er 4 Preiszonen.

Der BVG-Chef will seinen Vorstoß, den er gestern vor der Presse erläuterte, nur als „Anregung“ verstanden wissen. Bislang mochte sich aber kaum jemand von den Plänen anregen lassen. Beim Verkehrsverbund Berlin Brandenburg (VBB), in dem die BVG eines der wichtigsten Verkehrsunternehmen von insgesamt 44 ist, zeigt man sich überrascht. „Wir haben von den Vorschlägen selbst nur aus der Presse erfahren“, sagt VBB-Sprecherin Gabriele Mittag. Eine Änderung des Tarifsystems in Sturmowskis Sinne lehne der VBB ab. „Es wäre nicht in Ordnung, wenn etwa Pendler aus Brandenburg die Vergünstigungen für die Kunden im Innenstadtbereich zahlen müssten.“ Außerdem arbeite der VBB gerade daran, das komplizierte Tarifgeflecht transparenter zu machen. „Es gibt schon jetzt viele Kunden, die ratlos vor den Ticketautomaten stehen“, sagt Mittag. „Der Vorschlag, weitere Tarifzonen zu schaffen, würde das System noch undurchsichtiger machen.“

„Neue Ungerechtigkeiten“ befürchtet auch Matthias Horth, der stellvertretende Vorsitzender des Berliner Fahrgastvereins Igeb. „Eine separate Tarifzone A wäre zwar preiswerter als die momentane Zone AB“, sagt Horth, „dafür müsste aber logischerweise der Fahrschein AB deutlich teurer werden.“ Auch wer knapp über eine Tarifgrenze hinausfahre und keinen Kurzstreckenschein lösen könne, müsse draufzahlen. „Obwohl wir eine Tarifsenkung im Innenstadtbereich begrüßen würden, sind die Vorschläge insgesamt nichts anderes als eine verkappte Preiserhöhung“, so Horth.

Einer der wichtigsten Verhandlungspartner der BVG im Verbund, die S-Bahn, will sich mit Sturmowskis Vorschlag gar nicht erst befassen. „Das ist Sache der BVG“, heißt es knapp.

Der BVG-Chef steht einstweilen also allein da. Und allein kann die BVG gar nichts machen. Bis sich alle Gremien und Partner im Berliner Verkehrsverbund auf ein neues Tarifsystem geeinigt haben, bleibt Sturmowskis Vision das, was sie ist: eine Vision.