Sehnsucht nach Loske

Die bündnisgrünen Umweltpolitiker hoffen auf einen Rücktritt vom Rücktritt ihres Ex-Vormanns. Heute treffen sie sich zur Krisensitzung. SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel will bis zum Sommer ein Verfahren zur atomaren Endlagersuche erarbeiten

VON NICK REIMER

Tag zwei des grün-grünen Streits um den Stellenwert politischer Ökologie: Aus der Umwelt- und Anti-Atom-Bewegung gab es gestern allenthalben Kondolenz für Reinhard Loske. Ein „Alarmsignal“ sei, sagte Renate Backhaus, atompolitische Sprecherin des BUND, wenn die Grünen glaubten, auf „so kompetente Ökologen wie Loske verzichten zu können“. Die BI Lüchow-Dannenberg urteilt: „Dieser Rücktritt ist nur konsequent.“ Die Christlichen Demokraten gegen Atomkraft: „Herr Trittin, Sie sollten sich abgrundtief schämen!“

Reinhard Loske, bis Dienstag bündnisgrüner Fraktionsvize und Leiter des Arbeitskreises Umwelt, war nach einer Abstimmungsniederlage gegen Jürgen Trittin von allen politischen Ämtern zurückgetreten. Pikant am Votum der Fraktion war, dass ein Beschluss des Arbeitskreises Umwelt überstimmt worden war. Und das, obwohl die Fachleute 10 zu 0 Stimmen votiert hatten. Loske: „Als Ökologe fühlt man sich bei den Grünen mittlerweile ziemlich einsam.“

Im Streit geht es um die Frage, wer die Suche nach einem Atommüll-Endlager wie durchführen soll. Trittin hatte kurz vor Ende seiner Amtszeit ein Gesetz vorgestellt, das auf dem Abschlussbericht des Arbeitskreises Endlager – einem externen wissenschaftlichen Gremium – basiert. Danach soll ein Verband gegründet werden, der die Suche organisiert. AKW-Betreiber sollen Zwangsmitglieder werden.

„Wir haben wochenlang an diesem Gesetzentwurf gearbeitet, Experten angehört, Sachverstand eingeholt“, sagt Sylvia Kotting-Uhl, umweltpolitische Sprecherin der Fraktion – und Mitglied des grünen Arbeitskreises Umwelt. Ergebnis: „Trittins Entwurf war gut, aber nicht gut genug.“ Deshalb sei ein Verfahren entwickelt worden, bei dem die Atomkonzerne nur als Zahlemänner beteiligt sind.

Dass das Votum der Fachleute von der Fraktion überstimmt wird, nannte Kotting-Uhl ein „Novum“. Loske habe mit seinem Rücktritt „Rückgrat“ gezeigt. Der Energiepolitiker Hans-Josef Fell sprach von einer „Krise, die nicht zu übersehen ist“. Auf einem Krisentreffen wollen die Umweltleute heute beraten, wie sie weiter vorgehen. Ihre größte Hoffnung: Loskes Rücktritt von seinem Rücktritt.

Allerdings mehrte sich gestern auch Kritik an Loskes Schritt. „Die Fraktion war sich in sieben Punkten einig, in einem nicht“, sagte der Umweltpolitiker Winfrid Hermann. Loskes Frust sei nachvollziehbar, „der Rücktritt aber überzogen“. Auch die Fraktionschefs Fritz Kuhn und Renate Künast finden in einem Brief an Loske „den Streitwert gering“. Beide hatten mit Loske gestimmt. Wenn Loske jetzt den Grünen ökologische Verankerung abspreche, sei das eine „pauschale Verunglimpfung, die nicht gerechtfertigt ist.“

Im Bundesumweltministerium hieß es gestern, in der Frage der Endlagersuche gebe es nichts Neues. Umweltminister Sigmar Gabriel hatte erklärt, bis zum Sommer eine Verfahrensweise vorstellen zu wollen. Der SPD-Politiker: „Dabei sehen wir uns natürlich auch die Arbeiten meines Vorgängers an.“