PHILIPP MAUSSHARDT über KLATSCH
: Mehr Rente für Kinderlose!

Wer keine Altersversorgung hat, muss sein Leben lang zu Kindern und Freunden sehr, sehr freundlich sein

„Wir bedauern“, schrieb mir der Herr von der Allianz vor einigen Monaten, „dass Sie Ihre Kapital-Lebensversicherung bei uns gekündigt haben.“ Warum er bedauerte, schrieb er nicht. Aber ich kann es mir denken.

Ich hingegen fühle mich besser, seit ich weiß, dass ich in zwanzig Jahren einmal nur eine unwesentliche Rente erhalte und weder Herr Riester noch eine private Altersvorsorge mir die letzten Jahre meines Lebens versüßen werden. Freunde behaupten, ich sei in den letzten Monaten merklich freundlicher zu ihnen geworden.

Aus Italien berichten zurückkehrende Reisende immer wieder über ein hierzulande unbekanntes Phänomen: Fremden Kindern würde von Dorf- und Stadtbewohnern gleichermaßen auf offener Straße freundlich zugelächelt. Alte Männer und Frauen streichelten Kindern, die sie gar nicht kennen, liebevoll über den Kopf und erkundigten sich nach deren Namen und Befinden. Kellner brächten unaufgefordert Spielzeug an den Tisch und zeigten kleine Zaubertricks.

Merkwürdig ist es, dass das Wort „kinderfreundlich“ im Italienischen gar nicht existiert. Ein „amico del bambino“ ist dort jedenfalls völlig unbekannt und wird, wenn überhaupt, schlimmstenfalls so verstanden, wie man in Belgien die „Kinderfreundschaft“ von Erwachsenen gegenüber Minderjährigen versteht. Man muss sich dem Phänomen der Kinderfreundlichkeit der Italiener also anders nähern, nicht mit dem Lexikon unterm Arm.

Sie könnte damit zusammenhängen, dass die staatlichen Renten in Italien deutlich unter denen der Bundesrepublik liegen. Es wäre doch wirklich einmal eine sinnvolle Aufgabe für das Leibniz-Institut für Altersforschung in Jena, eine Untersuchung anzustellen, ob die Höhe der Rente irgendwie zusammenhängt mit dem Grad der Kinderfreundlichkeit in einer Gesellschaft.

Ich möchte das Ergebnis der Untersuchung schon vorwegnehmen: Es wird herauskommen, dass je weniger Rente ein Mensch zu erwarten hat, desto freundlicher er zu Kindern ist. Mir erscheint das auch völlig logisch: Denn seit ich meine private Altersvorsorge gekündigt und mir von dem Geld ein neues Auto gekauft habe, bin ich sehr viel aufmerksamer zu meinen vielen Neffen und Nichten. Sie müssen ihren Onkel nämlich ganz doll lieb haben, wenn der in einigen Jahren ein wenig klamm ist. Und darum habe ich vom Geld der aufgelösten Altersversorgung auch einige schöne Geburtstagsgeschenke gekauft.

In Berlin, wo sie oft das Gegenteil denken von dem, was richtig ist, wird in diesen Tagen darüber diskutiert, ob man Kinderlosen im Alter weniger Rente bezahlen sollte. Als Strafe für ihre Reproduktionsmüdigkeit. Ein Exstaatssekretär fordert sogar nur noch die Hälfte an Rente für Kinderlose und eine CDU-„Familienpolitikerin“ wird von der Bild-Zeitung so zitiert: „Es kann nicht so weitergehen …“ Nein, das kann es wirklich nicht.

Also wird die Rentenkürzung für kinderlose Gesellen in den kommenden Jahren heftig ausfallen. Doch was wird die Folge sein? Die gekürzten Rentner werden daraufhin noch mürrischer werden, als sie es heute schon sind. Und wenn sie ein Kind auf der Straße sehen, werden sie zu schimpfen beginnen und mit ihren Stöcken und Krücken nach ihm schlagen. Die jungen Männer und Frauen aber werden sagen: In einem Land, wo so kinderfeindliche Menschen leben, wollen sie auch keine Kinder bekommen … ein „circolo del diavolo“, wie der Italiener sagen würde, ein Teufelskreis.

Darum: Erhöht die Rente für die Kinderlosen! Die anderen haben es schließlich selbst in der Hand, ob ihre Kinder, Enkel, Neffen sie im Alter einmal unterstützen. Wer gibt, dem wird gegeben. Was man sät, das wird man ernten. Wie man in den Wald hinein ruft … Deutschland würde auf diese Weise ein kinderfreundliches Land, und das Wort „Kinderfreundlichkeit“ würde sich wie „Blitzkrieg“, „Hinterland“ und „Baumsterben“ in alle anderen Sprachen der Welt unübersetzbar einbürgern als Beweis einer bis dahin unbekannten deutschen Herzlichkeit.

Fragen an den Rentner? kolumne@taz.de Morgen: Barbara Dribbusch über GERÜCHTE