Eine Vertrauensfrage

Mit Nachdruck lassen sich Sportartikelhersteller dazu bewegen, dass unabhängige lokale Organisationen ihre Produktionsbedingungen überprüfen

Nur lokaler Gruppen, die das Vertrauen der Arbeiterinnen genießen, bekommen ehrlichere Antworten von den Befragten

Die erste Entscheidung ist schon vor dem ersten Anpfiff der Fußball WM 2006 gefallen: Der Sieger heißt Puma. Elf Nationalteams wird der Sportartikelhersteller aus Herzogenaurach für das Turnier ausstatten. Weltmarktführer Nike und Adidas, der Partner des Weltfußballverbandes Fifa, wurden geschlagen.

Aus einer dahindümpelnden Billigmarke ist ein populäres Lifestyle-Label geworden. Mit dem unternehmerischen Erfolg stieg auch das Interesse in der Öffentlichkeit an den Produktionsbedingungen in den Fabriken, die für Puma in den armen Ländern Mittel- und Südamerikas sowie Asiens Schuhe, Trikots oder Bälle herstellen. Die großen Konkurrenten Nike und Adidas müssen sich schon länger den Fragen kritischer Konsumenten nach dem Arbeitsalltag und der Entlohnung der Arbeiterinnen und Arbeiter in den Fertigungsbetrieben stellen.

Puma verdankt seinen Aufstieg zum Sportartikelhersteller mit dem drittstärksten Umsatz weltweit vor allem einer aggressiven Preispolitik Ende der 90er-Jahre. Die Preise konnten nur deshalb so niedrig gehalten werden, weil die Löhne in den Produktionsstätten extrem niedrig, die Arbeitszeit extrem hoch war. Die weltweite „Kampagne für Saubere Kleidung“, die „Clean Clothes Campaign“ (CCC) stellte Puma in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten im Umfeld der Olympischen Sommerspiele 2004. Ein Jahr zuvor war bekannt geworden, dass in einem mexikanischen Zulieferbetrieb die Bezahlung unzureichend war und die Arbeitszeit durch für die Näherinnen verpflichtende Überstunden über ein erträgliches Maß hinausgingen. Nachdem sich eine Gewerkschaft gegründet hatte, wollte Puma den Vertrag mit der betreffenden Fabrik kündigen. Proteste vor Ort und vor allem in den Ländern, in denen Puma seine Hauptmärkte hat, führten zu einem Umdenken in der Führungsetage. Seitdem ist Puma bereit, mit Nichtregierungsorganisationen zusammenzuarbeiten und die Produktionsbedingungen in den Fabriken überprüfen zu lassen.

Dabei kam es zu einer Zusammenarbeit, die noch vor kurzem als beinahe undenkbar angesehen werden durfte. Puma erklärte sich bereit, zwei Produktionsstätten in El Salvador gemeinsam mit der CCC, die in Deutschland unter anderem durch die Christliche Initiative Romero (CIR) repräsentiert wird, kontrollieren zu lassen. Über den Zeitraum von einem Jahr sollen die Hersteller schwerpunktmäßig auf Frauendiskriminierung, Überstunden und Entlohnung sowie Vereinigungsfreiheit und die Umsetzung des Rechts auf Kollektivverhandlungen kontrolliert werden. Das Besondere an dieser Vereinbarung ist die Einbeziehung lokaler Gruppen in El Salvador. Sie genießen das Vertrauen der Arbeiterinnen in den Fabriken. Ihre Mitarbeiter bekommen ehrlichere Antworten von den Befragten.

Genau das ist das Problem bei allen Überprüfungen von Herstellerfirmen, die Verträge mit den großen Sportartikelherstellern geschlossen haben. Die haben sich zur Einhaltung gewisser Mindeststandards selbst verpflichtet. Bei Adidas arbeiten beispielsweise 30 Angestellte an der Überprüfung der Arbeitsbedingungen. Nike, Puma und Adidas sind Mitglieder in der Fair Labor Association (FLA), einer unabhängigen Organisation, die mit der Umsetzung der Sozialkodices, die sich die Textilgiganten selbst gegeben haben, befasst sind. Deren Ergebnisse stehen oft in Widerspruch zu den Vorortrecherchen unabhängiger Organisationen, zum Beispiel der CIR. Das liegt auch daran, dass die Besuche in den Fabriken nur sporadisch stattfinden. Außerdem genießen die FLA-Kontrolleure nicht das Vertrauen der Beschäftigten. Aus Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, machen sie nicht selten unzutreffende Aussagen. Werden diese dann von lokalen Gruppen überprüft, ergibt sich oft ein ganz anderes Bild.

Gewerkschaften dürfen nicht gegründet werden. Ein Lohn, der das tägliche Überleben sichert, kann oft nur durch schier unmenschliche Akkordarbeit erreicht werden. Bei Einstellungen und auch danach noch müssen sich Frauen Schwangerschaftstests unterziehen. Demütigungen der zumeist weiblichen Beschäftigten durch männliche Vorgesetzte werden nur dann zugegeben, wenn die Betroffenen sich darauf verlassen können, dass ihnen ihre Aussagen nicht zum Nachteil gereichen. Die Vereinbarung von Puma mit der CCC könnte sich als richtungsweisend herausstellen.

Doch von den Näherinnen in den Fertigungshallen wird wohl kaum die Rede sein, wenn die Frage geklärt wird, welche Marke Weltmeister wird – Nike mit Brasilien, Puma mit Italien oder Adidas mit Frankreich.

ANDREAS RÜTTENAUER