Bauern wollen keulen

Geflügelhalter und Züchter in NRW leiden unter Stallpflicht und sinkender Nachfrage. Viele wünschen sich die Vogelgrippe herbei: Dann würden Entschädigungen fließen. Heute sucht EU nach Lösungen

VON GESA SCHÖLGENS

Geflügelbauern in NRW sehnen sich nach der Vogelgrippe: „Totschlagen geht nicht, verkaufen geht nicht – also wohin mit den Tieren?“, fragt Hans-Heinrich Berghorn, Sprecher des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands (WLV). Obwohl das Virus noch nicht in Nordrhein-Westfalen angekommen ist, litten die Bauern unter dem andauernden Verbot von Geflügelmärkten und der mangelnden Nachfrage nach Fleisch und Zuchttieren.

Schon die erste Stallpflicht hätte die Bauer hart getroffen, nun hofften sie fast auf die Seuche. „Für sie wäre es besser, wenn die Vogelgrippe grassieren würde und die Tiere gekeult werden müssten“, so Berghorn. Dann würden die Landwirte von der Tierseuchenkasse für ihre Verluste entschädigt.

Akut in ihrer Existenz bedroht seien die 60 bis 100 Zuchtbetriebe in Ostwestfalen, sagt Albert Huber, Vorsitzender des Geflügelzuchtverbands NRW. „Eigentlich hätten sie in dieser Jahreszeit bereits ihre Jungtiere auf den Märkten verkauft.“ Nun blieben sie auf ihren Hennen sitzen, die Ställe platzten aus allen Nähten.

Zwar blieb die Nachfrage nach Eiern relativ stabil, doch die Umsätze beim Geflügelfleisch sanken um fast 30 Prozent. Die Bundesregierung hat jetzt Hilfe eingeleitet: Heute und morgen will Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CDU) im Brüsseler Agrarrat mehrere Anträge auf „marktentlastende Maßnahmen“ unterstützen. Unter anderem sollen Betriebe mit Fördermitteln gerettet und Produkte aufgekauft werden. Züchter von Ziergeflügel bekämen ihre Verluste dadurch nicht ersetzt, sagt Huber, der selbst einen Großbetrieb mit Legehennen hat. „Ihre Tiere legen wenig Eier und haben keinen hohen Fleischwert.“

In NRW sind laut Landwirtschaftsministerium rund 23.000 Betriebe und mehr als 14 Millionen Tiere von der Stallpflicht betroffen. Probleme hätten vor allem die kleinen Geflügelzucht- und Brütereibetriebe im Raum Gütersloh und Paderborn, sagt WLV-Sprecher Berghorn. „Sie haben normalerweise viele Abnehmer und liefern bundesweit.“

Auch die Hobbyhalter leiden unter den Folgen der Stallpflicht. „Ich weiß nicht, wo ich meine Tiere unterbringen soll, sie laufen sonst frei herum“, klagt Beate Adler aus Hechthausen. Da sie keinen Stall hat, sperrte sie ihre fünf Gänse, darunter zwei seltene Lippische Gänse, in ein Partyzelt. Doch das Zelt stürzte vergangene Woche unter den Schneemassen ein, nun wohnen die Tiere im Bad. Fast alle Bekannten hätten ihr Geflügel geschlachtet. „Mein Herz würde bluten, wenn ich meine Gänse töten müsste“, sagt Adler. Aber für ein neues Zelt fehle das Geld. „Ich muss alle vier Wochen die Pflicht-Untersuchungen bezahlen.“

So bald wird sich an der Situation der Geflügelhalter nichts ändern. Denn das Bundeslandwirtschaftsministerium erwartet eine Verlängerung der Stallpflicht, die ursprünglich bis zum 30. April dauern sollte.