Lehrerinnen heben den Finger

Ein halbes Jahr nach Einführung der Grundschulreform ziehen Lehrerinnen auf einer Tagung Bilanz. Dabei wird auch die Bildungspolitik des Senats kritisiert. Viele Schulen klagen über fehlende Räume

von ALKE WIERTH

Wenn es um Grundschulen geht, sind es nicht nur immer Kinder, die zu pauken haben. Auch deren LehrerInnen müssen von Zeit zu Zeit die Schulbank drücken. So geschehen am Wochenende beim 1. Berliner Forum der Ganztagsschulen. Nur dass sie nicht wirklich auf Schulbänken saßen, sondern vielmehr an fein gedeckten Konferenztischen.

Über 500 GrundschullehrerInnen und ErzieherInnen trafen sich am Wochenende im Neuköllner Hotel Estrel, um sich über die ersten Erfahrungen mit der seit diesem Schuljahr gültigen Grundschulreform auszutauschen. Seit In-Kraft-Treten der Grundschulreform sind 64 der über 400 Berliner Grundschulen zu Ganztagsschulen geworden. Alle anderen bieten den „offenen Ganztagsbetrieb“ an, der zumindest für einen Teil der SchülerInnen gilt. 163 Millionen Euro wurden in die Reform investiert – der größte Teil kam vom Bund, der Rest vom Land.

Dass die Umstellung nicht einfach sein würde, war allen Beteiligten von Anfang an klar: Viele Schulen klagten über den Mangel an Räumen und Ausstattung für die Nachmittagsbetreuung. Auch an erfahrenen ErzieherInnen fehlte es. Dennoch: Obwohl auch nach mehr als einem halben Jahr bei weitem nicht alle Probleme gelöst sind – das vom Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) und dem Bildungssenat organisierte Forum verlief eher kuschelig.

Zehn Schulen schilderten in zehn Foren verschiedene Problemfelder der Grundschulreform. Etwa die Rhythmisierung: Statt dass alle Freizeitangebote auf den Nachmittag gelegt werden, während der Schulunterricht weiterhin nur vormittags stattfindet, bedeutet Ganztagsschule, dass Unterricht und Freizeit enger miteinander verzahnt werden. Probleme gibt es auch in der Zusammenarbeit mit externen Partnern: Grundschulen, die zuvor im Halbtagsbetrieb ausschließlich Unterricht angeboten hatten, müssen seit der Reform mit Horten, Schülerläden und anderen Einrichtungen kooperieren.

„Die Reform bedeutet einen Bruch mit der langen Schultradition der Halbtagsschule“, sagte Mascha Kleinschmidt-Bräutigam vom Berliner Landesinstitut für Schule und Medien (Lisum), der hauptverantwortlichen Einrichtung für Fort- und Weiterbildung von Lehrern in Berlin. Für die LehrerInnen bedeutet das im Klartext: mehr Anwesenheitszeit. Dass solche Entwicklungen nicht ohne Widerstand ablaufen, erfordere Verständnis, sagte Kleinschmidt-Bräutigam.

Auch das Lisum musste sich verändern: Statt wie bisher einzelne Lehrer zu Fort- oder Weiterbildungsveranstaltungen zu laden, gehen die Fortbilder nun direkt an die Schulen. „Alle Schulen befinden sich in ganz unterschiedlichen Entwicklungsstadien“, so Kleinschmidt-Bräutigam. Sie brauchten deshalb individuelle Förderung.

Probleme gibt es auch auf der Seite der ErzieherInnen. Besonders mit der Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Erziehern hapert es. „Wir haben teilweise bei null angefangen“, erzählen Waldemar Palmowski und Christine Lückenga vom Nachbarschaftsheim Schöneberg, das mit sechs Grundschulen im Ganztagsbetrieb kooperiert. „Dabei wussten wir schon, wie Schule funktioniert“, erklärt Palmowski.

„Der erste Schritt ist schwer, aber dann kommt eine Befreiung“, resümierte Heike Kahl, die Geschäftsführerin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, am Ende des Forums. Sie sei froh, dass nicht nur über Geld geredet wurde. Das freute auch Bildungssenator Klaus Böger, der an beiden Konferenztagen anwesend war. „Schulen schulen Schulen“, lautete sein Motto. Er hat noch viel vor: Demnächst will der Schulsenator auch alle Berliner Gesamtschulen zu Ganztagsschulen umgestalten.