CSU im Anflug auf die Realität

Bayern-Chef Edmund Stoiber setzt Grundsatzkommission ein. Ziel: Bis zur Landtagswahl 2008 der CSU ein zeitgemäßes Programm zu geben. Globalisierung, neue Gerechtigkeitsworte und ein modernes Familienbild müssen mindestens hinein

AUS MÜNCHEN MAX HÄGLER

Raus aus dem Hamsterrad der Globalisierung heißt die neue Devise der CSU. „In einer sich immer schneller verändernden Welt wird die CSU Antworten geben, wie wir den wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes sichern und wie wir auch in Zukunft einen funktionierenden Sozialstaat gestalten wollen“, kündigte Parteichef Edmund Stoiber gestern die Arbeit einer Grundsatzkommission an.

32 Männer und Frauen unter Leitung des altgedienten Landtagspräsidenten Alois Glück und des Bundestagsabgeordneten Georg Fahrenschon sollen versuchen, die weiß-blauen Ideale den gesellschaftlichen Gegebenheiten anzupassen. Eineinhalb Jahre Zeit hat die Grundsatzkommission, um das dreizehn Jahre alte CSU-Programm zu überarbeiten, das Stoiber zwischen 1988 und 1992 maßgeblich entwickelt hatte. Die Landtagswahl 2008 ist Deadline.

Bis dahin müssen nicht nur Passagen wie die „Geplante Währungsunion“ oder die „Heranführung der ost- und mitteleuropäischen Länder an die EU“ gestrichen sein. Die CSU muss sich der Themen annehmen, die vor zwei Jahrzehnten gar nicht auf der Tagesordnung standen.

Obwohl die Infrastruktur im Lande perfekt ausgebaut ist, spült die Globalisierung Arbeitsplätze ins Ausland – von AEG bis Infineon. Gleichzeitig ist das Staatssäckel klamm, und dennoch will die CSU weiter „solidarisch“ für die Menschen da sein, die sich nicht selbst helfen können. Zentraler Punkt soll die Gerechtigkeitsfrage sein, die Alois Glück bereits im Januar in der taz aufgeworfen hatte: „Wir brauchen eine neue Statik im Sozialstaat, und dazu gehören neben der Verteilungsgerechtigkeit als zentrale Elemente auch Chancengerechtigkeit und Generationengerechtigkeit.“

Kein einfacher Prozess für eine Volkspartei, die in der Fläche punkten will, aber auch in den urbanen Ballungszentren München, Augsburg und Nürnberg. Man müsse einerseits offen sein für Neues und andererseits „klare Positionen“ haben, an denen sich die 3,5 Millionen bayerischen Wähler und 180.000 Mitglieder orientieren können, so Fahrenschon. „Das wird spannender Prozess“ gibt er zu.

Ein ebenfalls neuer Knackpunkt ist die Debatte um das Familienbild. Im Februar forderte eine Handvoll ultrakonservativer Bundestagsabgeordneter, „das traditionelle Familienbild als unverrückbares politisches Leitbild in der CSU aufrechtzuerhalten“. Stoiber dagegen hat – zuletzt beim politischen Aschermittwoch in Passau – beachtliche Liberalität gezeigt. Egal ob Singles, Alleinerziehende oder Ehepaare: „Wir respektieren die freie Entscheidung der Menschen, wie sie ihr Leben und ihre Partnerschaft gestalten wollen.“ Nur bei der Adoption von Kindern durch eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft, da sei die Grenze erreicht. „Das ist mit der CSU nicht zu machen.“

Anlass für das Nachdenken über das Parteiprogramm ist das Wahldebakel bei der Bundestagswahl. Vor allem die Junge Union forderte danach „konstruktive Unruhe“ und eine inhaltliche Neuaufstellung. Stoiber schwenkte alsbald auf die Reformerlinie ein. Denn einerseits können eine Programmneuerung und die vielen dabei notwendigen Diskussionsrunden wieder sein Macherimage aufpolieren. Und andererseits ist das anfangs umjubelte CSU-Notnagel-Programm 2005 bei der Bundestagswahl durchgefallen. Nicht einmal 50 Prozent glaubten bei der Stimmabgabe an die eilig zusammengestrickten Wahlsprüche, die CSU-Minister Erwin Huber damals als „Programm völlig neuen Typs“ vorgestellt hatte. Sie wurden vom Wähler als technokratisch, neoliberal und gefühllos aufgefasst.